Im aktuellen Schadensfall galt es, eine scheinbar mangelhafte Glasreinigung zu begutachten. Vor Ort stellte sich die Trübung als irreparable Glaskorrosion heraus, verursacht durch Auslaugung der Oberfläche.
Wenn Glas nach der Reinigung trüb bleibt, begründen die meisten Objektbetreiber dies vorschnell mit einer Schlechtleistung und rügen die Glasreinigungsarbeiten entsprechend. Im vorliegenden Schadensfall wurde der Sachverständige zurate gezogen, um solch eine scheinbare Schlechtleistung in einem Schwimmbad zu begutachten.
Optisch war beim Ortstermin die Trübung sofort zu erkennen. Allerdings schien es sich dabei ziemlich sicher nicht um eine Trübung zu handeln, die durch Schmutzanhaftungen hervorgerufen wurde.
Der Sachverständige legte mehrere Musterflächen an, um dies auch zu belegen. Die erste Musterfläche wurde gemäß dem vorliegenden Leistungsverzeichnis mit dem entsprechenden Produkt angelegt. Eine Verbesserung trat hierdurch wie erwartet nicht ein. Die weiteren Musterflächen legte der Sachverständige mittels eines sauren Glasreinigers in der vom Hersteller empfohlenen maximalen Konzentration an – ebenfalls ohne eine Verbesserung zu erzielen. Bei der abschließenden abrasiven Reinigung griff er auf ein Puder zurück, bestehend unter anderem aus Quarz und Kaolinit. Das verwendete Produkt schließt Schädigungen des Umfeldes und der Glasoberfläche aus. Jedoch brachte diese Musterfläche ebenso keine Verbesserung mit sich.
Verätzung durch alkalische Belastung
Die erste Vermutung des Sachverständigen bestätigte sich: Es handelte sich im vorliegenden Fall um Glaskorrosion, auch als Glasbrand oder Glaspest bezeichnet. Hiermit ist die Veränderung der Oberfläche gemeint, die nicht mehr reparabel ist. Im Konsumentenbereich tritt dieser Vorgang häufig in Spülmaschinen auf. Gegenüber den meisten Chemikalien weist Glas eine hohe Beständigkeit auf. Bei alkalischer Belastung ist Glas jedoch sehr empfindlich und es entstehen Verätzungen auf der Oberfläche.
Auf chemischer Ebene beginnt die Glaskorrosion mit dem Herauslösen von Oxiden. Begünstigt durch Luftverwirbelungen, Lüftungs- und Heizungssysteme et cetera verändern sich an den betroffenen Stellen die physikalischen Eigenschaften des Glases. Hierdurch wird die Oberfläche rauer. Bei durchsichtigem Glas wird dies als Trübung wahrgenommen und die Aufrauung ist deutlich mit den Fingern zu fühlen.
Mikroklima im Schwimmbad als Ursache
Begünstigt wird dies durch länger einwirkende, stehende Wasserfilme auf der Glasoberfläche. Bei sehr starker und längerer Feuchtebeaufschlagung kann es zur Anätzung der Glasoberfläche durch im Wasserfilm angereichertes Natriumhydroxid kommen, welches beim Korrosionsvorgang der Glasoberfläche entsteht. Oft wird hierbei auch von Auslaugung gesprochen. Die Auslaugung entsteht durch Lösen der Alkali- und Hydroxidionen aus der Glasoberfläche. Der dünne Wasserfilm auf der Glasoberfläche veranlasst die Anreicherung mit Natrium und Hydroxidionen, es bildet sich konzentrierte Natronlauge. Vereinfacht dargestellt heißt das, dass die im Schwimmbad vorherrschenden mikroklimatischen Bedingungen inklusive der Heiz- und Lüftungsführung im Bereich der Fensterscheiben für die aufgetretene Glastrübung verantwortlich waren.
Kein Verschulden des Dienstleisters
Grundsätzlich ist der Schaden irreparabel, jedoch gibt es die Möglichkeit, die Glasoberfläche durch eine Spezialfirma schleifen zu lassen. Inwieweit die Trübungen hierdurch tatsächlich entfernt werden können, konnte der Sachverständige zum Zeitpunkt des Ortstermins ohne Musterfläche nicht beurteilen. Ein Verschulden des mit der Glasreinigung beauftragten Dienstleisters konnte er in diesem Fall jedoch ausschließen.
Sascha Hintze | markus.targiel@holzmann-medien.de
Tipp vom Gutachter: Kratzende Hilfsmittel sind tabu
Sascha Hintze, Gebäudereinigermeister, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger: "Nicht jede Glastrübung ist vom Dienstleister verursacht worden. Tritt eine solche auf, so ist zu prüfen, ob es sich nur um Verschmutzungen handelt, die entfernt werden können. Hierzu sollten unter Berücksichtigung der gängigen Vorschriften zur Glasreinigung Musterflächen angelegt werden und in jedem Fall sollte auf kratzende Hilfsmittel auf der Oberfläche verzichtet werden."