Individuelle Zeiterfassung: Vieles spricht für digitale Aufzeichnung

Für gewerblich Beschäftigte in der Gebäudereinigung besteht schon lange die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeiten. Über die Form der Aufzeichnung kann der ­Arbeitgeber frei entscheiden. Erfolgt das Protokollieren IT-gestützt, lassen sich damit unter anderem wichtige Daten für das Qualitätsmanagement generieren.

Auf die Veränderungen der neuen Arbeitswelt können Gebäudereiniger mithilfe IT-gestützter Anwendungen viel schneller reagieren. - © Neumann & Neumann

Die Aufregung ist groß und das in fast allen Branchen. Seitdem das Bundesarbeitsgericht im September sein Urteil zur Arbeitszeiterfassung verkündet hat, herrscht bei Arbeitgebern enorme Unruhe. Welcher bürokratische Aufwand kommt jetzt auf Unternehmen zu? Wie mühsam wird die Rückkehr zur Stechuhr, die in vielen Betrieben längst abgeschafft war?

Man mag darüber philosophieren, ob die Pflicht zur ­exakten Aufzeichnung von Arbeitszeiten wirklich in die neue Arbeitswelt des New Work passt, die ­eigentlich von Agilität und Eigenverantwortung ­geprägt ist. Am Sachverhalt wird das aber nichts ­ändern.

Für Gebäudereinigungsbetriebe hat das jüngste Urteil des BAG zunächst keine direkte Auswirkung – zumindest nicht für die gewerblich Beschäftigten. ­Deren tägliche Arbeitszeit (inklusive Zuschlagszeiten) müssen die Arbeitgeber gemäß § 19 Abs. 2 AEntG (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) sowie § 17 Abs. 1 ­MiLoG (Mindestlohngesetz) bereits seit mehreren Jahren verpflichtend aufzeichnen (Beginn, Ende, ­Dauer  etc.) und für mindestens zwei Jahre aufbewahren.

Gewerblich Beschäftigte, deren regelmäßiges Brutto­monatsentgelt 4.176 Euro (bis 30.09.2022 lag die Schwelle bei 2.958 Euro) überschreitet, sind nach der Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung des BAMS in der aktuell geltenden Fassung von der Arbeitszeitaufzeichnungspflicht ausgenommen. Gleiches gilt für gewerblich Beschäftigte, deren verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt brutto 2.784 Euro (bis 30.09.2022: 2.000 Euro) überschreitet, wenn der Arbeitgeber dieses Entgelt für die letzten vollen zwölf Monate nachweislich gezahlt hat.

Was die Form der Aufzeichnung angeht, können die Arbeitgeber in der Gebäudereinigung bislang frei entscheiden, ob die Arbeitszeiten händisch in Papierform beziehungsweise Excel-Listen eingetragen oder elektronisch – respektive digital – erfasst werden. Vorgabe ist, dass im Falle einer Prüfung aus der Aufzeichnung ohne Probleme die gesetzlichen Vorgaben (Beginn, Ende, Dauer etc.) erkennbar sind.

Objektleiter und Mitarbeiter der Verwaltung sind von den Regelungen des AEntG und des MiLoG ausgenommen. Mit anderen Worten: Für diese Personengruppen gelten allein die allgemeinen Normen des Arbeitszeitgesetzes sowie die Ausgestaltung durch die Rechtsprechung. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG sind Arbeitgeber ausdrücklich verpflichtet, Überstunden aufzuzeichnen. Konkretisierung fand diese Verpflichtung insbesondere durch die Entscheidung des EuGH vom 14.05.2019 (Rs. C-55/18) sowie durch den aktuellen Beschluss des BAG vom 13.09.2022 (Az. 1 ABR 22/21). Danach sind die gesamten Beschäftigungszeiten durch die Arbeitgeber aufzuzeichnen.

"Den goldenen Knopf gibt es nicht"

Julia Remde

Julia Remde, Referentin Digitale Prozesse, GRG Services, Berlin: "Bereits seit einigen Jahren ist bei uns in der GRG ein Programm aufgesetzt, das die Einführung geeigneter Technolo­gien zur Digitalisierung operativer Prozesse vorantreibt. Daraus entstanden, befindet sich seit Oktober 2021 unternehmensweit eine Software im Roll-out, die unter anderem auch die Funktion der digitalen Zeiterfassung mitbringt.

Bei der verwendeten Lösung nutzen die Mitarbeitenden ihre eigenen Smartphones und scannen damit einen QR-Code. Als Feedback geben die Mitarbeitenden überwiegend an, dass sie mit der App sehr schnell und gut zurechtkommen. Ist dies nicht der Fall, liegt es oft an der Hardware.

Es kommt natürlich auch vor, dass die App grundsätzlich auf Ablehnung stößt. Aber hier gibt es Lösungen, zum Beispiel durch eine telefonische Einwahl oder ein stationäres Terminal im Objekt mit Chipkarte. Neben solchen Alternativen sind im Veränderungsprozess besonders eine gute Einstiegsschulung und ein kontinuierlicher Support wichtig, den wir intern aufgesetzt haben und den ich selbst betreue. Und natürlich die eigene positive Erfahrung: Stimmt der Vergleich der App-Daten mit dem „alten“ Lohnzettel, steigt das Vertrauen in die neue Technologie. Entsprechend viel Geduld, Verständnis und auch Zeit fürs Testen und Korrigieren muss bei der Einführung eingeplant werden.

Klar ist: Den goldenen Knopf gibt es nicht. Eine Branchenlösung kann in der Regel nicht alle selbst definierten Anforderungen abdecken. Umso wichtiger sind ein regelmäßiger Austausch auf allen Ebenen mit kontinuierlichem Feedback und der enge Kontakt zum Softwareanbieter. Läuft die digitale Zeiterfassung dann aber stabil, spart man nicht nur Papier, Arbeitszeit sowie Emissionen, sondern stärkt auch das Vertrauen zwischen Reinigungskraft und Unternehmen durch mehr Transparenz und verlässliche Daten."

In welcher Form diese Verpflichtung ausgestaltet werden wird, obliegt nunmehr dem Gesetzgeber. Es ist damit zu rechnen, dass es im Zuge der aktuellen Entscheidung des BAG zu einer entsprechenden Regelung kommen wird – wie auch immer diese am Ende aussehen mag.

Digitale Zeiterfassung reduziert den Aufwand an vielen Stellen

Mittlerweile gibt es zahlreiche Zeiterfassungstools am Markt, die eine deutliche Reduzierung des ­Arbeitsaufwands und noch weitere Vorteile im Vergleich zum analogen Vorgehen mit Zettel und Stift versprechen. Folgende Beispiele verdeutlichen dies:

  • Anwendungen, die vom Smartphone aus nutzbar sind, können von Reinigungsmitarbeitern völlig ortsunabhängig überall in einem Objekt eingesetzt werden: Bei der Pflege der Grünanlagen ebenso wie bei der Büroreinigung oder dem Fuhrparkmanagement.
  • Ist die Zeiterfassung bereits Teil einer Qualitätsmanagement-Software, lassen sich alle erhobenen Daten im Unternehmen entsprechend weiterverarbeiten. Das erleichtert Objektleitern das schnelle Erstellen von Dienstplänen, aber auch von Soll-Ist-Vergleichen anhand vorgegebener Arbeitszeitmodelle. Nicht zuletzt ist ein Vergleich zwischen einzelnen Objekten möglich: Weicht die Arbeitszeit in einem Gebäude deutlich von der in vergleichbaren Objekten ab, wird dies sofort transparent und die Ursachen lassen sich beheben.
  • Verfügt die Software über individuelle Auswertungsmöglichkeiten, haben Objektleiter jederzeit einen Überblick darüber, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade wo im Einsatz sind. Hier kann ein unmittelbarer Abgleich mit der Zeiterfassung stattfinden: Tauchen ungewöhnliche Differenzen auf, können zeitnah Gegenmaßnahmen eingeleitet sowie entsprechende Abläufe optimiert werden.
  • Eine digitale Zeiterfassung kann sich auch schneller und agiler geänderten Rahmenbedingungen anpassen – etwa, wenn ein Gebäudereiniger ganz andere Objekte als bisher übernimmt oder neue Aufgaben hinzukommen. Hier genügen wenige Klicks und die entsprechende Zeiterfassung steht bereit.
  • Für jeden einzelnen Mitarbeiter können die vereinbarten Arbeitszeiten hinterlegt werden, was die Einsatzplanung in den Objekten vereinfacht. Hat zum Beispiel eine Teilzeitmitarbeiterin ihr Stundenkontingent für den laufenden Monat bereits abgearbeitet, muss für die bevorstehende Reinigung ein Kollege oder eine Kollegin eingeplant werden. ­Arbeitszeitkonten sind sowohl für die Mitarbeiter als auch für den Arbeitgeber gleichermaßen einsehbar.
  • Auch auf die Veränderungen der neuen Arbeitswelt können Gebäudereiniger mithilfe digitaler Anwendungen viel schneller reagieren. Aufgrund des Homeoffice-Trends werden Büros bereits heute sehr viel unregelmäßiger genutzt als bisher. ­Diese Entwicklung wird sich in Zukunft verstärken, prognostizieren viele Studien. Damit ergeben sich automatisch Herausforderungen für die Zeiterfassung – beispielsweise, wenn ein bestimmtes Objekt aufgrund des hohen Homeoffice-Anteils der Mitarbeiter sehr viel weniger Aufwand benötigt als bisher. Eine Anpassung kann mithilfe digital erfasster Bedarfe sehr viel schneller stattfinden, als dies mit händisch ausgeführten Abläufen mit Listen und ­Bestellzettel möglich ist.

"Dem Thema stellen trotz aller Widrigkeiten"

Matthias Stenzel

Matthias Stenzel, Geschäftsführer, Stenzel-Gebäudedienste, Halle (Saale): Es ist unstrittig: Durch die digitale Zeiterfassung haben wir als Gebäudedienstleister schon sehr große Vorteile. Für die Lohnbuchhaltung im Unternehmen ist sie eine echte Arbeitserleichterung und man muss nicht mehr jedem Mitarbeiter nachtelefonieren, wo seine Abrechnung bleibt.

Auch wir haben bereits eine entsprechende Lösung in Teilbereichen eingeführt – mit durchaus unterschiedlicher Resonanz innerhalb der Belegschaft. Mit Reinigungskräften, die mit dem Smartphone großgeworden sind, gelingt dies in der Regel ohne Probleme. Wer für die Zeiterfassung sein privates Handy nutzt, erhält von uns eine Vergütung von 5 € pro Monat. Wer dies ablehnt, den statten wir mit einem Smartphone aus.

Gerade ältere oder auch langjährig beschäftigte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind hingegen oft sehr misstrauisch und lehnen eine „Kontrolle“ ihrer Anwesenheit mitunter komplett ab, obwohl sie für uns und vor allem den Kunden einen hervorragenden Job machen. Dann gibt es noch die Gruppe, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, was durch die Gewerkschaften noch befeuert wird.

Das Schlimmste, was bei der heutigen Form der digitalen Zeit­erfassung passieren kann, ist, dass man bei der Erfassung und Abrechnung über die Verdienst- und Hinzuverdienstgrenzen in jeglicher Form rutscht. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass man in der nahen Zukunft nicht mehr in so viele gesetzliche Korsetts gezwungen wird. Vor jeder Betriebsprüfung steht immer die große Frage: Wird alles in Ordnung sein? Bereits kleine Fehler können teuer werden. Als ich vor 32 Jahren in die Gebäudereinigung gestartet bin, konnte man die Lohnabrechnung noch händisch ausrechnen – heute verschlucken sich Softwarehäuser daran. Ein großes Problem ist auch, dass die Softwarehäuser digitale Zeiterfassung mit unterschiedlichsten Systemen anbieten, dabei aber die Schnittstellen oder Datenbankverknüpfungen oft nicht fehlerfrei programmiert bekommen.

Seitens der Politik wurde Anfang des Jahres ja schon einmal der Vorstoß unternommen, alle Arbeitszeiten digital zu erfassen – hier sind wir zum Glück noch knapp vorbeigeschrammt. Unabhängig davon und trotz aller Widrigkeiten werden wir uns diesem Thema jedoch zunehmend stellen müssen.

Intuitive Bedienbarkeit reduziert ­mögliche Fehlerquellen

Wichtig ist: Damit Daten auch wirklich belastbar und zuverlässig sind, müssen diese zunächst fehlerfrei erhoben werden. Bei der Einführung einer digitalen Zeiterfassung sollten Gebäudereiniger deshalb ­darauf achten, dass die App für alle Anwenderinnen und Anwender einfach zu nutzen ist. Beispielhaft sei hier die in der Reinigungsbranche verbreitete Software-Lösung e-QSS genannt. Sie setzt auf eine ­intuitive Bedienung mit klar strukturierten Steuerelementen und zollkonformer Abbildung der Zeiterfassung. Der Benutzer bestätigt sein Kommen und Gehen der Zeitbuchung einfach via App – wahlweise am iOS- oder ­Android-Smartphone, alternativ auch an einem zen­tralen Terminal per NFC.

Gerade eine für Reinigungskräfte verständliche Nutzung ist bei der Auswahl einer digitalen Zeiterfassungslösung elementar wichtig, denn dadurch werden Missverständnisse vermieden und Fehler reduziert. Erklärt sich eine Anwendung von allein, reduziert sich in der Folge auch der Schulungsaufwand. Ist die Zeiterfassung bereits als Modul in der QM-Software vorgesehen, ist das ein zusätzlicher Vorteil.

"Das Herzstück ist die Personaleinsatzplanung"

Vincenzo Montalto

Vincenzo Montalto, Geschäftsleiter, Dorfner-Gruppe, Nürnberg: "Die digitale Zeiterfassung ist natürlich ein wichtiges Thema für uns. Wir haben uns lange mit den verschiedenen Lösungen und Anbietern auf dem Markt beschäftigt. Letztendlich sind wir aber zu dem Entschluss gekommen, dass eine reine Zeit­erfassung für uns nicht der präferierte Weg ist. Wir sind der Meinung, dass wir hier einen großen Schritt weitergehen und eine digitale Personaleinsatzplanung vorschalten müssen. Die eigentliche Zeiterfassung ist dann "nur" noch ein einfaches, aber zweifellos wichtiges Add-on.

Für mich ist die digitale Personaleinsatzplanung also das eigentliche Herzstück der digitalen Transformation in der operativen Struktur. Alle Branchen-Player wissen aus leidvoller eigener Erfahrung, was das Erarbeiten und Verwalten von Schichtplänen für die zuständigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bedeutet. Bei der Planung muss eine Vielzahl von betriebsinternen Vereinbarungen, gesetzlichen Vorschriften und Wünschen der Mitarbeiter und Kunden berücksichtigt werden. Und dann kommt ein unerwarteter Personalausfall, der alles wieder über den Haufen wirft.

Das kann eine komplette Umstrukturierung des Schichtplans erforderlich machen. Wird die Personaleinsatzplanung dann via Excel oder noch auf Papier erledigt, ist Frustpotenzial vorprogrammiert. Umständliche und fehleranfällige Listen, Zettelwirtschaft und zeitintensive Kommunikation via E-Mail oder Telefon machen die Schichtplanung zu einer undankbaren Aufgabe.

Dabei ist die Digitalisierung längst auch im Bereich der Personaleinsatzplanung angekommen. Eine digitale Schichtplanung bietet zahlreiche Vorteile – vor allem spart sie Zeit. Anstelle einer aufwendigen manuellen Dienstplanung mit Zettelbergen und Excel-Listen kommt eine spezialisierte Softwarelösung zum Einsatz, die intuitiv bedienbar ist und den Anwender bei der schnellen Erstellung eines funktionierenden Schichtplans unterstützt. Und: Neben der gezielten Planung lassen sich auch die Arbeitszeiten unkompliziert digital erfassen und auswerten."

Moderne IT-Lösungen gehen aber noch weiter und verbinden die Zeiterfassung mit anderen QM-Modulen. Wird beispielsweise im Rahmen der Arbeitsorganisation Bedarf für eine Nachschulung festgestellt, wird diese direkt online aus dem QM-System heraus absolviert: Entsprechende Lernmodule sind bereits hinterlegt. Statt Präsenzschulungen mit organisatorischem Aufwand auf den Weg zu bringen, lassen sich die E-Learning-Module direkt digital starten. Die Lerneinheit wird von dort aus durchgeführt, wo sich der Mitarbeiter gerade befindet – ob im Büro oder im Homeoffice. Ist die Lektion erfolgreich absolviert, geht eine entsprechende Mitteilung an die Personalverantwortlichen, die somit jederzeit Überblick zum Kenntnisstand aller Mitarbeiter haben.

Ist der fehlerfreie Umgang sichergestellt, kann die Zeiterfassung nicht zuletzt dazu beitragen, wich­tige Kennziffern für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zur Verfügung zu stellen: Daten werden generiert und ausgewertet, anschließend werden die entsprechenden Optimierungsschritte durchgeführt. Gebäudereiniger nutzen so die Möglichkeiten der Digitalisierung intelligent und verschaffen sich damit letztlich auch Wettbewerbsvorteile.

Eva und Oswald Neumann, Neumann & Neumann | guenter.herkommer@holzmann-medien.de