Aus Gründen der Flugsicherheit müssen die Glasflächen eines Towers turnusmäßig gereinigt werden. Am Münchener Flughafen fand diese spektakuläre Reinigung nachts statt. Mithilfe einer Hubarbeitsbühne sorgten die Glasreiniger in rund 70 m Höhe mit Einwascher und Abzieher für Durchblick.

Es waren wochenlange Planungen vorausgegangen, Budgets wurden bewilligt, allerlei Genehmigungen eingeholt, Sicherheitsunterweisungen durchgeführt, Feuerwehr und Polizei informiert, sogar das Wetter spielte mit – geringes Niederschlagrisiko, kaum Wind. Pünktlich um 22.00 Uhr sollte es endlich losgehen – und dann drohte alles an einem herrenlosen Koffer zu scheitern.
Die Polizei des Flughafen München nahm aus Sicherheitsgründen diesen natürlich zum Anlass, das Gelände abzusperren. "Gott sei Dank tauchte nach wenigen Minuten ein Vater auf, der den von seiner Tochter zurückgelassenen Koffer suchte", berichtet Andreas Gröninger. Er verantwortet im Geschäftsbereich Real Estate das Reinigungsmanagement im Terminal 1 bei der Flughafen München GmbH (FMG) und damit auch die in dieser Nacht anstehende Glasreinigung am Tower.
Für klare Rundumsicht
Der Kopf des Towers, in dem die Fluglotsen sitzen, besitzt eine eigene Befahranlage für die einmal pro Monat anstehende Glasreinigung. Die Befahranlage für den größeren unteren Bereich, in dem Lotsen für die Vorfeldkontrolle und der Wetterdienst sitzen, kommt einmal pro Jahr zum Einsatz beziehungsweise auf Anforderung auch öfter – der Saharasand lässt grüßen. Leider wurde die Anlage vom TÜV bemängelt und gesperrt, sodass es in dieser Nacht zu einer Premiere am Flughafen München kam: Die in rund 70 m Höhe befindlichen Glasflächen mussten mithilfe einer Hubarbeitsbühne gereinigt werden.
Erschwert wurde die Reinigungsmaßnahme zudem dadurch, dass die von den Verantwortlichen ursprünglich avisierte 90-m-Arbeitsbühne, welche auf einem 5-Achser aufgebaut stolze 47 t auf die Waage bringt, nicht eingesetzt werden konnte. "Die Straße, auf der die Arbeitsbühne in Position gehen musste, verläuft über ein Parkhaus. Aus Gründen der Statik durften wir diese aber nicht einsetzen, sie war einfach zu schwer", erläutert Gröninger. Deswegen musste es eine Nummer kleiner sein. Die etwas schlankere, auf einem 4-Achser aufgebaute 33 t schwere Arbeitsbühne hatte aber mit 70 m einen Höhennachteil: Sie musste mehrfach versetzt werden, damit die Glasreiniger vom Korb aus überall hinkamen.
Freudige Erregung bei den Glasreinigern
Üblicherweise findet die Glasreinigung mithilfe der Befahranlagen tagsüber statt. Aufgrund der Absperr- und Sicherheitsmaßnahmen, die wegen der Hubarbeitsbühne notwendig waren, musste sie allerdings in die Nacht verlegt werden. Deswegen herrschte auch bei den beiden Glasreinigern von Sasse Aviation Service freudige Erregung, erzählt Bianca Karg. Die Niederlassungsleiterin ist seit 19 Jahren im Geschäft und seit sechs Jahren für Sasse an den Flughäfen München und Hamburg tätig. "Arbeiten von der Bühne aus ist doch schon etwas anderes als in einer Befahranlage, zumal in solch einer Höhe und auch noch nachts", betont Karg. "Unser Leiter Glasreinigung hat deshalb darauf verzichtet, mit hochzufahren, um einfach mal jüngeren Kollegen dieses Erlebnis zu ermöglichen", erzählt sie. Im Vorfeld des Einsatzes mussten die beiden Glasreiniger entsprechende Sicherheitsunterweisungen durchlaufen und auch deren Höhentauglichkeit musste sichergestellt werden.
Sasse Aviation Service ist am Münchener Airport für Terminal 1 verantwortlich und damit auch für den Tower. Rund 350 Mitarbeiter sorgen in der täglichen Unterhaltsreinigung, der Glasreinigung und auch in den Außenbereichen für ein gepflegtes Erscheinungsbild.
Einsatz bis in den Morgen
Als es dann am späten Abend zum ersten Mal 70 m nach oben ging, bot sich den beiden Glasreinigern vom Arbeitskorb aus ein grandioser Blick über den erleuchteten Flughafen. Routiniert manövriert wurden sie dabei vom dritten im Bunde, dem Fahrer beziehungsweise Bediener des Hebebühnenvermieters Roggermeier. Vorschriftsmäßig gesichert – selbstredend auch die Arbeitsutensilien – machten sie sich an die Arbeit. Die zu reinigende Fläche wurde dabei mit LED-Scheinwerfern vom Arbeitskorb aus beleuchtet. Dort oben war dann aber bis auf die Höhe doch Routine angesagt: Mit Einwascher und Abzieher arbeiteten sich die beiden Glasreiniger in Handarbeit Meter um Meter vor. Lediglich die Einwascher waren etwas größer als sonst üblich, damit die Arbeit schneller vonstatten ging. Nach jeder Stunde machten die beiden Sasse-Mitarbeiter eine zehnminütige Pause, außerdem musste man immer wieder zum Wasserwechsel herunterfahren, was ebenfalls Zeit zum Verschnaufen gab.
So sollte es am Ende bis 5.00 Uhr morgens dauern, bis die komplette Glasfläche gereinigt war. Vorsichtshalber hatte man sogar zwei Nächte dafür veranschlagt. Mit der Befahranlage wäre das Pensum aber normalerweise in rund zwei Dritteln der Zeit zu bewältigen gewesen. Andreas Gröninger kommentiert: "Am Ende eines solch langen Arbeitseinsatzes ist dann der Muskelkater inbegriffen. Denn in dieser Höhe ist es nie windstill, der Arbeitskorb bewegt sich. Das müssen die Mitarbeiter dort oben andauernd ausgleichen – das muss man sich wie auf einem Schiff vorstellen."
Grundsätzlich sei die Glasreinigung am Flughafen München "etwas Besonderes", unterstreicht Andreas Gröninger. "Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass viele Glasreiniger zum Teil seit 20 Jahren am Flughafen tätig sind und auch nirgendwo anders mehr hinwollen." Spektakulär sei beispielsweise auch die Reinigung des zu großen Teilen mit Glas überdachten Forums des München Airport Centers zwischen Terminal 1 und 2. Sich während der Reinigung über die weit über dem Platz gespannte Glasfläche zu bewegen, welche dabei leicht schwingt, sei – zumindest in den ersten Minuten ist einem etwas mulmig – ein ganz besonderes Erlebnis, fügt Gröninger augenzwinkernd hinzu.
Markus J. Targiel | markus.targiel@holzmann-medien.de