Zum Reinigen von Glas- und Vorhangfassaden an Hochhäusern kommen bisher spezielle Reinigungsgondeln oder Industriekletterer zum Einsatz. Eine weitere Option für diese Arbeiten könnte künftig die Verwendung einer Drohne sein. Ein Dienstleister forscht seit mehreren Jahren an diesem Thema und steht nun kurz vor der Einsatzreife der Technologie.

Durch ihre überzeugenden Dämmeigenschaften im Verhältnis zu den geringen Baukosten sind Glas- und Vorhangfassaden an Hochhäusern sehr beliebt und verbreitet. Allerdings unterliegen sie einer umgebungs- und witterungsbedingten Gradation und müssen daher regelmäßig gereinigt werden. Üblicherweise braucht es für derartige Einsatzgebiete spezielle Reinigungsgondeln oder Industriekletterer.
Beide Methoden sind etabliert, bringen jedoch auch Nachteile mit sich beziehungsweise sind nicht in jedem Fall einsetzbar. Unter anderem kann der Bedarf an Industriekletterern für Reinigungsarbeiten in westlichen Ländern vom Arbeitsmarkt nur schwer gedeckt werden. Trotz übertariflicher Entlohnung finden sich nach der Erfahrung von Uwe Böhme, Geschäftsführer der Gebäudereinigung Lissowski aus Aachen, nur wenige, die in großer Höhe Fassaden reinigen wollen. Hinzu komme, dass der Einsatz in der Fassadenreinigung für Industriekletterer statistisch gesehen ausgesprochen gefährlich sei. Und auch beim Einsatz von Hubarbeitsbühnen oder Gondeln komme es immer wieder zu Unfällen.
Eine weitere Möglichkeit zur Reinigung von großflächigen Wänden und Böden sowie zur Fassadenreinigung ist der Einsatz von Stangensystemen. Da es sich hierbei um Arbeiten mit gleichförmigen Bewegungsabläufen handelt, könne es auch hier zu gesundheitlichen Problemen bei den Beschäftigten kommen – insbesondere bei erhöhter Kraftanstrengung.
Fünf Jahre Entwicklungsarbeit
Vor diesem Hintergrund reifte bei Uwe Böhme bereits vor einiger Zeit die Idee, die industrielle Fassadenreinigung mittels einer speziellen Reinigungsdrohne zu erledigen. Nach über fünf Jahren Entwicklungszeit und in Kooperationen mit Universitäten und diversen Forschungseinrichtungen steht nun ein Prototyp zur Verfügung, der einen Praxiseinsatz in greifbare Nähe rücken lasse.
Der sogenannte Cleancopter, ein speziell für sein Anwendungsgebiet entwickelter Coaxial-Duokopter mit jeweils zwei gegenläufigen Rotoren, misst 2 × 1,2 m, hat ein Leergewicht von rund 60 kg (ohne Akku) und besitzt einen Wassertank mit circa 30 l Fassungsvermögen. Dies ermöglicht ihm eine Reinigungsphase von etwa 30 Minuten. Während eines Fluges lasse sich auf diese Weise eine bis zu 60 m² große Fläche bei mittlerem Verschmutzungsgrad reinigen.
Um den Wasserverbrauch während des Reinigungsprozesses möglichst gering zu halten, verfügt die Drohne über wassersparende Reinigungsdüsen. Diese sorgen dafür, dass die Fassadenoberfläche gleichmäßig mit der Reinigungsflüssigkeit benetzt wird. Die an der Drohne montierte Reinigungsanlage ist mit einer umschließenden Dichtlippe ausgestattet. Durch Unterdruck kann überschüssige Reinigungsflüssigkeit gefiltert und dem Prozess wieder zugeführt werden.
Dass die Entwicklung von der ersten Idee bis zum aktuellen Prototyp über fünf Jahre in Anspruch nahm, begründet Böhme mit der äußerst anspruchsvollen Aufgabenstellung. Eine besondere Herausforderung stellte beispielsweise der geringe Abstand zwischen Reinigungsdrohne und Fassadenoberfläche dar. Und so war es während dieser Zeit mehrmals nötig, diverse Komponenten des Gesamtkonzepts an neue Gegebenheiten anzupassen.
Ein wichtige Rolle spielte dabei die Navigation der Drohne mittels GPS, Landmarken und entsprechend hochauflösender Kameras und Sensorik. Auch das Gewicht, die Akkus sowie die Menge des Reinigungsmediums waren von Beginn an stets wichtige Themen. Dies alles aufeinander abzustimmen gestaltete sich Böhme zufolge sehr schwierig; hinter allem stand immer die Frage der Energieversorgung. Und auch die ursprünglich angedachte Verwendung von Walzenbürsten für die Reinigung erwies sich als nicht optimal an der Fassade, zumal etwa durch Seitenwind die stabile Lage der Drohne mittels Flugregler permanent ausgeglichen werden musste, was sich als sehr energieaufwendig herausstellte und die Verweildauer in der Luft stark einschränkte. In der Folge ist man auf mehrere, gegenläufig zueinander arbeitende Bürsten umgestiegen.
Um ein optimales Reinigungsergebnis zu erzielen, sind die Bürsten und Reinigungslotionen beim aktuellen Prototyp des Cleancopters speziell auf das jeweilige Gebäude und die verwendeten Materialien abstimmbar. Während die Mehrzahl der Bürsten der Reinigung der Glasflächen dient, gibt es auch spezielle Bürsten für die Reinigung der Halterungen beziehungsweise der Glasabdeckprofile.
Insgesamt wurden etwa 30 verschiedene Besatzmöglichkeiten geprüft und eine entsprechende Auswahl wurde getroffen: von Reiswurzel (besonders hart) über Rosshaar (vielseitig verwendbar) bis hin zu etlichen synthetischen Borsten. Sie alle wurden auf die Verwendung von entmineralisiertem Wasser als Reinigungsmedium geprüft und bewertet. "Damit können sogar Hightech-Fassadenbeschichtungen besonders sanft gereinigt und Beschädigungen an speziell veredelten Oberflächenbeschichtungen vermieden werden", merkt Uwe Böhme dazu an.
Mit über 30 km/h geht es schnell rauf und runter
Mit seinen speziell entwickelten Motoren erreicht der Cleancopter eine Geschwindigkeit von über 30 km/h, um schnell in die Höhe zu steigen oder die Reinigungsstation am Boden zu erreichen. Die Verfahrgeschwindigkeit der Drohne lässt sich automatisch dem Verschmutzungsgrad anpassen. Dabei überwacht sie sich eigenständig, um bei unzureichender Akkuleistung oder Reinigungsflüssigkeit die Landung automatisch vorzunehmen. In der Reinigungsstation werden die Akkus schnell und unkompliziert getauscht, die Bürsten kontrolliert und der Wassertank wird mit entionisiertem Wasser gefüllt. Auf diese Weise schafft er theoretisch eine Fläche von bis zu 100 m2/h.
Die jeweils in der Praxis erreichbare Reinigungsfläche ist wesentlich von der Gebäudehöhe abhängig, da der für den Aufstieg erforderliche Energieeinsatz nicht für den eigentlichen Reinigungsvorgang zur Verfügung steht. Der nächste Entwicklungsschritt wird daher die Verwendung von Wasserstoff als Ersatz für den Akku sein. Das bedeute eine Verdoppelung der Aufenthaltsdauer in der Luft, entsprechend länger könne der eigentliche Reinigungsvorgang durchgeführt werden.
Weiterhin ist die Drohne mit einem Lagestabilitätssystem ausgestattet, das bei starken Scherwinden eine vollautomatische, sichere Landung einleiten kann. Die synchrone, lineare Bewegung der unterschiedlichen Bürstenelemente in horizontaler Richtung erleichtert zudem den lagestabilen Reinigungsprozess. Durch parallel angeordnete Bürstenköpfe ist es schließlich möglich, eine größere Fassadenfläche ohne Streifenentwicklung an den Übergängen zu reinigen. Dabei erfolgt die Bewegung der Reinigungselemente von einem senkrechten Glasabdeckprofil bis zum gegenüberliegenden, um die gesamte Fassadenbreite optimal abzudecken.
Nicht zuletzt wurde ein spezielles Luftleitblech entwickelt und aerodynamisch so ausgelegt, dass die Rotoren genügend Luftzuführung für den nötigen Auftrieb und zur Kühlung des Antriebs erhalten, obwohl sich die Drohne während des eigentlichen Reinigungsvorgangs nur relativ langsam bewegt. Die Rotorgeometrie ist ebenfalls eine Spezialentwicklung, da keine marktüblichen Rotoren mit den erforderlichen technischen Parametern erhältlich sind.
Die Voraussetzungen für den ferngesteuerten Betrieb
Um die Reinigungsdrohne bedienen zu können, bedarf es einer entsprechenden Lizenz und selbstverständlich auch Schulungen. Beim Luftfahrtbundesamt (LBA) kann nach heutigem Stand eine Drohnenprüfung abgelegt werden. Gleichfalls werden dort Adressen von Firmen benannt, die Praxislehrgänge anbieten. Ein solcher Lehrgang sollte in jedem Fall absolviert werden, da hierbei die Steuerungstechnik sowie die weitere Handhabung einer Drohne erklärt werden.
Wichtig ist natürlich, dass die Bereiche unterhalb der Drohne für den Publikumsverkehr gesperrt sind. Auch wenn das Fluggerät sehr sicher zu handhaben ist, verlangt der Gesetzgeber, dass die Fläche unterhalb des Drohnenfluggebiets frei von Personen ist. Dieser Sicherheitsbereich muss abgesperrt sein, um jeglichen Schaden zu vermeiden.
Der eigentliche Reinigungsprozess wird zusammen mit dem Kunden im Vorfeld geplant. Ausgehend vom Glasmaterial und der Fassadengeometrie werden zunächst die jeweils geeigneten Bürsten mit ihren Profilen montiert. Nun steuert der Pilot die Drohne unter Zuhilfenahme der an Bord befindlichen Sensorik und Kameras zur ersten Glasfläche und bewegt sie dann abwärts bis zu den Glashalterungen. Danach wird die Drohne wieder an die obere Glasoberfläche gesteuert, um die weiteren verschmutzten Oberflächen zu reinigen. Dies wird so lange wiederholt, bis die Reinigungsflüssigkeit beziehungsweise die Akkumulatorspannung zur Neige gehen. Die handgesteuerte Version mit Akkubetrieb ist wegen den rechtlichen Rahmenbedingungen nur für Gebäudehöhen von etwa fünf bis sieben Etagen ausgelegt, obwohl rein technisch auch eine größere Höhe realisiert werden kann.
Zusätzliches Standbein für Dienstleister
Professionelle Dienstleister könnten laut Uwe Böhme mit einer solchen Reinigungsdrohne ihr Leistungsspektrum ohne zusätzliche Fremdfirmen und Industriekletterer erweitern und ihr Angebotsprofil entsprechend ausdehnen. Nötig seien in diesem Fall – wie bereits erwähnt – lediglich geschulte Mitarbeiter mit einer Drohnenlizenz. Um die zahlreichen Produktentwicklungen rechtlich zu schützen, besitzt die Lissowski Gebäudereinigung Patentansprüche in allen interessanten Märkten – insbesondere für die Metropolen mit vielen Hochhäusern in Nordamerika, Europa, dem Mittleren Osten und Asien.
Auch Dr.-Ing. Daniel Hahn, Global Sales Manager der Lissowski Gebäudereinigung, ist vom Potential der Reinigungsdrohne überzeugt: "Das Reinigungsergebnis ist ausgezeichnet und gegenüber herkömmlichen Reinigungsverfahren fallen geringere Kosten an. Im Ergebnis lassen sich signifikant Zeit, Geld und infrastruktureller Planungsaufwand bezüglich der Reinigungsprozesse einsparen."
Auf die konkreten Kosten einer Reinigung mittels Drohne angesprochen, antwortet Uwe Böhme: "Wie auch bei einem Autokauf kann die Drohne mit verschiedenen Ausstattungsmerkmalen erworben werden. Der Einsteigerpreis wird bei etwa 120.000 Euro liegen, im Leasing ist mit etwa 1.700 Euro monatlich zu kalkulieren. Ganz pauschal kann man davon ausgehen, dass sich die Anschaffungskosten innerhalb von 15 Monaten amortisieren lassen, entsprechende Glasreinigungsaufträge vorausgesetzt. Diese Einschätzung hat uns auch die RDG-Unternehmensberatung bestätigt. Auf der Internetseite von cleancopter.com wird schließlich ein Exceltool zur Verfügung stehen, über das jeder Interessent individuell für sich eine kostenlose Kalkulation mit seinen Angaben durchführen kann."
Das Marktpotential für die drohnenunterstütze Reinigung sei jedenfalls enorm, zumal Fassaden jährlich zwei- bis dreimal inspiziert und gereinigt werden sollten, damit das bestmögliche Dämmungs- beziehungsweise Reflexionsverhalten erhalten bleibt. Aus Mangel sowohl an geeignetem Personal als auch aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten unterbleibe dies sehr häufig. Hinzu komme, dass künftig auch Bauherren und Architekten schon bei der Planung eines Gebäudes ein sicheres und gesundheitsgerechtes Arbeiten in der Fassadenreinigung gewährleisten müssten. Nicht zuletzt ließen sich Investitionskosten in Betriebseinrichtungen an neuen Gebäuden sowie Wartungskosten für Reinigungs-Betriebseinrichtungen durch den Einsatz von Reinigungsdrohen deutlich senken.
Die nächsten Schritte Richtung vollautonomer Betrieb
Der nächste Meilenstein in der Entwicklung wird Uwe Böhme zufolge der Wasserstoffantrieb sein. Dieser soll voraussichtlich im Jahr 2023 zu Verfügung stehen. Weitere Entwicklungsschritte beinhalten zusätzliche Automatisierungsstufen, welche die Handhabung des Fluggerätes für den Drohnenpiloten erleichtern, so dass er nur noch eine Beobachterfunktion während des Reinigungsprozesses innehat und lediglich Batterien wechseln oder Wasserstoff tanken sowie Reinigungsflüssigkeit nachfüllen muss.
Parallel werden die entsprechenden Genehmigungen und Zulassungen beantragt. Spätestens Ende des Jahres 2022 – so die Einschätzung von Böhme – werden für den europäischen Bereich alle Voraussetzungen erfüllt sein.
Quelle: Lissowski Gebäudereinigung | guenter.herkommer@holzmann-medien.de