Das als akut toxisch eingestufte, hautresorptive Lösemittel 2-Butoxyethanol – auch als Butylglykol bekannt – findet sich nach wie vor in einigen Reinigungsmitteln. Wie damit bei der Grundreinigung von Fußböden umzugehen ist, haben die BG BAU, der BIV und der IHO in einem gemeinsamen Faktenpapier zusammengefasst. Dr. rer. nat. Uwe Musanke, zuständig für das Thema Prävention im Bereich der Gefahrstoffe bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, erläutert gegenüber rationell reinigen die Details.

Herr Dr. Musanke, worin genau besteht die Problematik beim Einsatz von Reinigern, die Butylglykol enthalten?
Dr. Uwe Musanke: Auswertungen von tätigkeitsbezogenen Arbeitsplatzmessungen bei der Grundreinigung von Fußböden haben gezeigt, dass bei 2-Butoxyethanol-haltigen Produkten mit einer Überschreitung des Arbeitsplatzgrenzwertes zu rechnen ist. Für die GISCODES GG60 und GG90 liegt der Bewertungsindex nach TRGS 402 (Anm. d. Red.: Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition) bei 1,2. Bei Produkten mit mehr als 15 Prozent 2-Butoxyethanol im Konzentrat, die nicht mehr vom GISCODE erfasst werden, liegt die Exposition sogar beim 4,7-fachen des Grenzwertes. Bei Produkten, die auch das Lösemittel Limonen enthalten, sind besonders hohe Expositionen gemessen worden.
Vor diesem Hintergrund sind 2-Butoxyethanol-haltige Produkte – wann und wo immer möglich – gemäß dem Substitutionsgebot der Gefahrstoffverordnung durch solche ohne 2-Butoxyethanol zu ersetzen. Eine Verwendung ist lediglich akzeptierbar, wenn technische Anforderungen den Einsatz von 2-Butoxyethanol-haltigen Produkten notwendig machen sollten. In diesen Fällen ist in der Gefährdungsbeurteilung zu begründen, warum keine Substitution möglich ist. Darüber hinaus ist festzulegen, mit welchen Maßnahmen die Einhaltung des Grenzwertes im jeweiligen Objekt erreicht werden soll. Nicht zuletzt ist dabei auch deren Wirksamkeit zu belegen.
2-Butoxyethanol ist ja bereits seit geraumer Zeit als toxisch Kategorie 4 gemäß der europäischen Chemikalienverordnung eingestuft. Das besagte Faktenpapier wurde erst Ende des vergangenen Jahres herausgegeben. Warum gerade zu diesem Zeitpunkt beziehungsweise was war der konkrete Anlass dafür?
Dr. Uwe Musanke: 2-Butoxyethanol war schon vor Inkrafttreten von REACH und CLP als „gesundheitsschädlich beim Einatmen“ eingestuft und hatte damals eine Kennzeichnung mit dem Andreaskreuz zur Folge. Im Jahr 2017 wurde eine verschärfte Einstufung als akut toxisch Kategorie 3 vorgeschlagen, die zu einer Kennzeichnung der Produkte mit dem Totenkopf geführt hätte – für Reinigungsmittel, die in der Öffentlichkeit zum Einsatz kommen, ein K.o.-Kriterium. Somit hatten wir die Hoffnung, dass die Vermarktung und damit der Einsatz dieser Produkte ein Ende finden würde. Als sich abzeichnete, dass diese Verschärfung doch so schnell nicht kommen wird, haben wir das zum Anlass genommen, die Branche mit dem Faktenpapier auf die Problematik der Grenzwertüberschreitung aufmerksam zu machen. Eine finale Entscheidung der Einstufung durch das RAC-Komitee der europäischen Chemikalienagentur steht jedenfalls nach wie vor aus.
Müssten die Chemiehersteller angesichts der Tatsache, dass die Problematik schon lange bekannt ist, ihre Produkte nicht schon längst auf 2-Butoxyethanol-freie Alternativen umgestellt haben? Ist das überhaupt in jedem Fall möglich?
Dr. Uwe Musanke: Der Einsatz von 2-Butoxyethanol-haltigen Grundreinigern ließe sich vollständig erübrigen, wenn bereits die Auswahl der spezifischen Polymere für das Einpflegen mit einer Pflegedispersion beziehungsweise deren gesamte Formulierung derart gestaltet würde, dass sich entsprechende Beschichtungen auch mit 2-Butoxyethanol-freien Grundreinigern entfernen ließen. Es ist also ein systemischer Ansatz erforderlich, um zu einer sicheren Arbeitsweise in der Gebäudereinigung beizutragen.
Es gibt durchaus Hersteller, die nur 2-Butoxyethanol-freie Grundreiniger im Programm haben. Offenbar gibt es bei deren Beschichtungen keinerlei Probleme bei der Grundreinigung ohne 2-Butoxyethanol.
Gibt es andere Lösungen für den Ersatz von 2-Butoxyethanol?
Dr. Uwe Musanke: Wir alle kennen den Sinnerschen Kreis: Vielleicht liegt die zukünftige Lösung für die besonders schwer entfernbaren Beschichtungen auch beim verstärkten Einsatz der Mechanik und einer verlängerten Einwirkdauer – Stichwort: leistungsfähige Pads und Maschinen. Ich glaube, man muss bei diesem Thema in alle Richtungen offen sein.
Die Fakten über 2-Butoxyethanol
2-Butoxyethanol wird auch als Butylglykol, Ethylenglykolmonobutylether (EGBE) oder Glykolmonobutylether bezeichnet (CAS-Nr. 111-76-2). Dabei handelt es sich um eine farblose, süßlich riechende Flüssigkeit, die wasserlöslich und mit vielen organischen Lösemitteln, wie zum Beispiel Ethanol, homogen mischbar ist. Laut Wikipedia wird in Europa rund 60 % des 2-Butoxyethanols für Farben und Lacke verwendet. Etwa 11 % kommen in Wasch- und Reinigungsmitteln zum Einsatz, somit ist dieser Stoff als Lösemittel auch in einer Reihe von Mitteln für die Gebäudereinigung enthalten. Typische Gehalte im Reinigungsmittel liegen zwischen 2 und 15 % – folglich ist der Stoff im Sicherheitsdatenblatt der Reinigungsmittel in Abschnitt 3 aufzuführen.
Butylglykol – nicht zu verwechseln mit Butyldiglykol beziehungsweise 2-Butoxyethoxyethanol – ist nach der 15. ATP der REACH-Verordnung bis auf weiteres als akut toxisch Kategorie 4 (oral und inhalativ) sowie als haut- und augenreizend Kategorie 2 eingestuft. Bis das RAC-Komitee der europäischen Chemikalienagentur über eine Einstufung der inhalativen akuten Toxizität in die Kategorie 3 entschieden hat, ist die Kategorie 4 als Mindesteinstufung zu betrachten.
2-Butoxyethanol ist auf der Liste der Richtgrenzwerte der EU aufgeführt. In Deutschland ist ein Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) in Höhe von 49 mg/m³ festgelegt mit den Bemerkungen „Hautresorption“ und „Schwangerschaftsgruppe Y“ sowie einer Spitzenbegrenzung 2(I). Der deutsche AGW ist halb so hoch wie der EU-Richtwert. Schwangerschaftsgruppe Y bedeutet, dass nur bei Einhaltung des AGW ein Risiko der Fruchtschädigung ausgeschlossen werden kann.Download des Faktenpapiers unter: https://bit.ly/3yMUQj7.
Welche Vorgehensweise raten Sie Gebäudereinigern, wenn bis auf weiteres keine Substitution von bisher verwendeten, 2-Butoxyethanol-haltigen Grundreinigern möglich ist?
Dr. Uwe Musanke: In diesen Fällen sind vorrangig technische Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um den Arbeitsplatzgrenzwert einzuhalten. Bei der Grundreinigung von Fußböden könnte versucht werden, durch geeignete Zu- und Abluftführung mittels von Gebläsen beziehungsweise Absaugungen eine ausreichende Reduktion der Exposition herbeizuführen. Um die Wirksamkeit verschiedener Lüftungsmaßnahmen zu ermitteln, hat die BG BAU im Zeitraum Februar/März dieses Jahres entsprechende Modelluntersuchungen durchgeführt.
Mit welchen Ergebnissen?
Dr. Uwe Musanke: Noch liegen keine Messberichte für diese Untersuchungen vor, das dauert in der Regel ein bis zwei Monate. Nach Auswertung sämtlicher Daten können wir hoffentlich konkrete Empfehlungen zu Lüftungsmaßnahmen aussprechen.
Was, wenn solche technische Maßnahmen trotzdem nicht ausreichend sind, um den Arbeitsplatzgrenzwert einzuhalten, oder aus speziellen Gründen nicht umsetzbar sein sollten?
Dr. Uwe Musanke: Dann können gegebenenfalls organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um die individuelle Belastung der Beschäftigten zu reduzieren – zum Beispiel in Form einer Lenkung der Arbeitszeiten.
Reinigungsarbeiten mit 2-Butoxyethanol-haltigen Grundreinigern entsprechend der GISCODES GG60 und GG90 können drei Stunden am Tag ausgeführt werden, wenn in den verbleibenden fünf Stunden gar keine Gefahrstoffexposition vorliegt; auch nicht gegenüber anderen Stoffen oder durch Tätigkeiten in Räumen, in denen noch eine abklingende Belastung durch zuvor eingesetzte Produkte vorliegt. In diesem Fall berechnet sich aus dem 95-Perzentil von 1,2 für den tätigkeitsbezogenen Bewertungsindex ein Schichtmittelwert von 0,5, der eine Einhaltung des Grenzwerts mit ausreichender Sicherheit auch dann gewährleistet, wenn für die Aufnahme über die Haut eine gleiche Größenordnung wie durch das Einatmen angenommen wird. In der Gefährdungsbeurteilung ist in diesen Fällen zu dokumentieren, aus welchen Gründen weder eine Substitution noch technische Maßnahmen ergriffen werden konnten.
Bei Produkten, die mehr als 15 Prozent 2-Butoxyethanol im Konzentrat enthalten, gilt folgende Einschränkung: Entsprechend der Spitzenbegrenzung des Arbeitsplatzgrenzwertes für 2-Butoxyethanol ist in einer Schicht viermal eine 15 Minuten dauernde Exposition oberhalb des Grenzwertes zulässig. Dabei darf der Maximalwert von 98 Milligramm pro Kubikmeter in keinem der Zeiträume überschritten werden, was nach den vorliegenden Messwerten auch nicht zu erwarten ist. Zwischen diesen Phasen erhöhter Exposition ist ein Zeitraum von einer Stunde expositionsfreie Zeit anzustreben. Somit könnten maximal für eine Stunde am Tag Reinigungsarbeiten mit Grundreinigern, die mehr als 15 Prozent 2-Butoxyethanol enthalten, durchgeführt werden.
Bei Arbeiten kleineren Umfanges – zum Beispiel in einem Raum mit 30 Quadratmetern Fußbodenfläche – könnte dieser Ausweg eine Möglichkeit darstellen. Falls mehrere solcher Räume zu reinigen sind, wäre die Arbeit auf mehrere Verarbeitende aufzuteilen, die jeweils nur einen solchen Raum bearbeiten. Dabei ist sicherzustellen, dass die Mitarbeitenden in der restlichen Zeit des Tages keiner weiteren Gefahrstoffexposition ausgesetzt sind – eine doch eher praxisferne Lösung.
Was bleibt, wenn auch nach Ausschöpfung aller technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen die Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes nicht sichergestellt werden kann?
Dr. Uwe Musanke: Als letzte Maßnahme ist dann persönliche Schutzausrüstung möglich, sprich das Tragen von Atemschutz. Einfache Atemschutzgeräte wie Halbmaske mit A-Filter sind allerdings belastend und dürfen keine dauerhafte Maßnahme sein. Von daher sei nochmal darauf hingewiesen: Entsprechend dem STOP-Prinzip zur Auswahl von Schutzmaßnahmen nach der Gefahrstoffverordnung gilt zuoberst das Gebot der Substitution. Da für die Verarbeitung 2-Butoxyethanol-freier Grundreiniger die Einhaltung des Grenzwertes belegt ist, sind hier abgesehen vom Öffnen von Fenstern und Türen keine weiteren Maßnahmen hinsichtlich der inhalativen Exposition zu ergreifen.
Günter Herkommer | guenter.herkommer@holzmann-medien.de