Digitale Transformation: Neues vorantreiben statt Altbewährtes schützen

Die Digitalisierung verspricht neue Möglichkeiten und Chancen, setzt aber gleichzeitig den Willen zur Veränderung voraus – auch wenn dies zuweilen schmerzlich sein mag. Denn wer sich dem anstehenden Wandel nicht proaktiv stellt, könnte über kurz oder lang zum Getriebenen werden – zum Beispiel beim Thema Plattformökonomie.

Auch in einer digitalisierten Welt sind immer nur Menschen die Enabler für Neues. - © NicoElNino – stock.adobe.com

Es gilt mittlerweile fast schon als Binse: Eine (Teil-)Antwort auf die Multikrisen dieser Tage ist die digitale Transformation. Suffizient eingesetzte digitale Technologien könnten insbesondere einen Beitrag zur Erreichung der Ziele für eine global nachhaltige Entwicklung leisten.

In Summe besteht also trotz – oder vielleicht sogar wegen – der Energiekrise die Möglichkeit für ein digitales Wirtschaftswunder. Die Frage ist allerdings, ob es in Deutschland stattfindet und welche Branchen hier welchen Beitrag leisten können. Die Diskussion um die Auswirkungen dieser sogenannten vierten industriellen Revolution – kurz: Industrie 4.0 – beschränken sich dabei allzu oft auf die produzierenden Industrien. Wie sieht es aber beispielsweise mit dem Bereich der infrastrukturellen Services rund um die Immobilie aus?

Es sind bereits erste Trends zu erkennen, die im Facility Management kurzfristig als Treiber einer Digitalisierung wirken werden: Mittels Big Data und den Optionen einer miniaturisierten Sensorik werden die Performance von Gebäuden besser verstanden und detailliertere Gebäudenutzungsanalysen in Echtzeit möglich. Darüber hinaus kommen künftig mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Roboter in so manchen heute noch personalintensiven Routinen zum Einsatz und ermöglichen zugleich ein neues Niveau ergebnisorientierter Service-Level. Aber das ist erst der Anfang – die angedeuteten Umbrüche sind nur ein Teil der anstehenden digitalen Transformation der gesamten Wertschöpfungsketten.

Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, dass nicht wenige Entscheider in der Digitalisierung noch immer eine unbedeutende Start-up-Szene vermuten, die sie kaum tangieren wird. Zahlreiche Analysen – da­runter auch die der größten Berufsoptimisten in den einschlägigen Verbänden – unterstreichen jedenfalls, dass Deutschland mit der Digitalisierung der Wertschöpfungsketten nicht schnell genug vorankommt. Woran liegt das?

Der Mensch – Enabler und Innovationsbarriere zugleich

Aus der Sicht der Innovationsforschung sind es insbesondere zwei Barrieren, die eine raschere Entwicklung in Richtung Digitalisierung behindern: Zum einen ist es die fehlende Bereitschaft, eine wirklich radikale Transformation anzustoßen, zum anderen sind es fehlende digitale Kompetenzen. Wenn Einzelne sich in der Diskussion damit beruhigen, sie hätten doch bereits eine erste Stufe der Digitalisierung erfolgreich gemeistert, wenn die Mitarbeitenden ihrem Chef oder ihrer Chefin die E-Mails nicht mehr ausgedruckt vorlegen, zeigt das ein Dilemma vieler tradierter Bereiche: Auch hier ist es der Mensch, der lieb gewonnene Privilegien, Besitzstände, Budgets und vor allem sein veraltetes Kompetenzniveau eher zu schützen versucht, statt Neues voranzutreiben.

Dabei steht außer Zweifel: Die Digitalisierung wird auch die Arbeitswelt rund die immobilienbezogenen Servicebereiche erheblich verändern. Und es bleibt uns nichts anderes übrig, als den Menschen hier in die Überlegungen einzubeziehen. Denn eines ist ebenfalls unstrittig: Nicht die Algorithmen oder die vielzitierte Künstliche Intelligenz (KI) entwickeln geänderte Problemlösungen oder neue Geschäftsmodelle – vielmehr sind auch in einer digitalisierten Welt immer nur Menschen die Enabler für Neues. Dabei ist es aber ganz menschlich, wenn einige den Vormarsch der Algorithmen mitunter als Bedrohung wahrnehmen.

Marlène Sternbaum: Veränderungen proaktiv in Angriff nehmen

Marlène Sternbaum - © Dr. Hoffmann

Marlène Sternbaum, Geschäftsführerin, Dr. Hoffmann Gebäudedienste, München: "Die digitale Transformation verändert die Geschäftswelt in einem Tempo, wie wir es uns vor wenigen Jahren noch nicht hätten vorstellen können. Natürlich gibt es viele Stimmen, die den Verlust vor Arbeitsplätzen befürchten und den Kopf in den Sand stecken. Doch das Gegenteil ist richtig. Tatsächlich steht die Reinigungsbranche vor einem Berg an Aufgaben, den sie ohne digitalen Fortschritt gar nicht bewältigen kann.

Denn die Digitalisierung verändert ja nicht nur unseren Wettbewerb, sondern auch das Verhalten unserer Kunden. Clouds und Apps ermöglichen ihnen, ihr Raumnutzungsverhalten zu flexibilisieren – beispielsweise durch Homeoffice und Co-Working. Wir haben einen massiven Modernisierungsbedarf von veraltetem Flächenbestand und wir sind mit steigenden Qualitätsanforderungen bei einer extremen Verknappung und Verteuerung von Flächen in City-Lagen konfrontiert. Dazu kommen steigende Auflagen hinsichtlich CO2-Reduktion und Nachhaltigkeit ­sowie steigende Energiekosten.

Zusammengefasst verlangen alle Trends nach einem neuen und kreativeren Umgang mit Flächen und Ressourcen. Meiner Meinung nach kommt die Branche in dieser Situation viel zu langsam in Bewegung. Grund dafür ist die Angst vor Veränderungen und ein Mindset à la "das haben wir schon immer so gemacht".

Doch wer mit einer solchen Einstellung gegen Robotik und Plattform-Firmen konkurrieren will, führt den falschen Kampf. Die Digitalisierung eröffnet uns die Möglichkeit, in unseren Unternehmen den gesamten Workflow effizienter und ­effektiver zu gestalten. Diese Chance ist vor allem im Zusammenhang mit dem zunehmenden Fachkräftemangel von Bedeutung.

Der Gebäudereinigungsbranche stehen in den kommenden Jahren aufregende Zeiten bevor. Auch wenn es auf dem Weg dorthin Herausforderungen geben wird, liegen die Vorteile klar auf der Hand. Also: Keine Panik – stattdessen proaktiv handeln und die Veränderungen in Angriff nehmen, die schon lange auf Bereinigung warten."

Auf den Punkt gebracht: Die Menschen sind nicht nur Enabler, sondern gleichzeitig auch die größte Innovationsbarriere. Die Sorgen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor den ungewissen Veränderungen der Digitalisierung unterscheidet sich dabei nicht von den Sorgen eines Kerzenziehers, der am Horizont den noch schwachen Lichtschein der ersten Glühbirne wahrnimmt. Manche der großen Beratungshäuser glauben zwar zu wissen, dass durch Industrie 4.0 insgesamt mehr Jobs entstehen werden als verloren gehen. Ich vermute allerdings, es wird vor allem eine sehr schmerzhafte Umschichtung von Arbeitsinhalten geben, da künftig völlig neue Kompetenzen gefragt sind.

Statt altbewährte Technologien und Services nur zu verbessern, werden diese samt der dafür benötigten Kompetenzen schlichtweg ersetzt. In einer ersten Welle wird dies eine Vielzahl von Kompetenzträgern in administrativen und juristischen Routinebereichen eines Backoffice betreffen – etwa in den Bereichen Beschaffung, Miet- und Vertragsmanagement, (Objekt-)Buchhaltung oder auch Berichtswesen – und in einer zweiten Welle dann Helpdesk-Dienste sowie bislang personalintensive Leistungen.

Doch im Gegensatz zu früheren Technologiesprüngen, bei denen die Kompetenzen im Umgang mit neuen Technologien durch entsprechende Entwicklungsmaßnahmen auf ein neues Niveau gehoben werden konnten, werden durch die im Zuge der digitalen Transformation anstehenden Entwicklungen nach einer gewissen Übergangszeit Teile der hoch- und später dann auch der geringqualifizierten Fachkräfte schlicht nicht mehr benötigt. Denn wer glaubt daran, dass die Buchhalterin oder der Jurist bald Algorithmen für Big-Data-Analysen programmiert oder eine Reinigungskraft die künstliche Intelligenz für den Reinigungsroboter, der sie in einigen Jahren ersetzen könnte?!

Kompetenzanforderungen steigen ­exponentiell

Wie die Kompetenzbedarfe und Architekturen einer digitalisierten Wirtschaft im Detail aussehen werden, zeichnet sich insgesamt erst sehr schemenhaft ab. Was sich aber jetzt schon prognostizieren lässt: Die digitalen Systeme und ihre Kompetenzanforderungen werden sich nicht linear, sondern exponentiell entwickeln. Und es fällt mir tatsächlich kein Gegenargument dafür ein, dass auch mancher Teilbereich der infrastrukturellen Services über kurz oder lang zu den disruptiven Bereichen zählen könnte.

Marc-A. Eickholz: Aufträge ersteigern oder Leistungen versteigern?

Marc-A. Eickholz - © Niederberger

Marc-A. Eickholz, Geschäftsführer, Niederberger Gruppe, Köln: "'Ich bin die Zukunft' – hat die Digitalisierung mir versprochen. Und damit wird sie meiner Einschätzung nach nicht weit ­daneben liegen – auch für unsere personalintensive Branche. Die Zeitspanne und die Digitalisierungstiefe sind hingegen noch undefiniert.

Fakt ist, dass die Anzahl digitaler Tools bei uns in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist; alleine die einschlägigen App-Icons auf meinem Smartphone haben sich vervielfacht. Neben zahlreichen Vorteilen, die diese Entwicklung mit sich bringt, bestehen jedoch auch Kernprobleme: Durch vielfältige Anbieter und Standards ist ein ganzheitlicher Ansatz in weite Ferne gerückt. Im Ergebnis sehen wir oftmals gute Einzellösungen, aber fehlende Kompatibilität bringt nicht selten ein Zusammenführen von Big Data zu Fuß mit sich. Auch die individuellen Fähigkeiten unserer Mitarbeiter haben eine enorme Spannweite und der tatsächliche Vorteil einer digitalen Maßnahme erschließt sich oft nicht direkt dem Nutzer, sondern erst einer übergeordneten Ebene. So kann KI auf der Basis von Gesetzen, Arbeitsverträgen und persönlichen Bedürfnissen lediglich Vorschläge zum Beispiel zu Krankheitsvertretungen ausarbeiten. Menschliche Entscheidungen bleiben somit notwendig.

Aktuell müssen wir digitale Konzepte für laufende Projekte anpassen, auch wenn die Gebäude sowie die Leistungsverzeichnisse nur selten smart gestaltet sind. Neuprojekte lassen sich weitaus zielgerichteter angehen, obwohl die wenigsten Ausschreibungstexte digitale Aspekte zeitgemäß berücksichtigen. Letztlich erkenne ich aber einen positiven Trend im digitalen Formalitätenwesen, dem sich auch der Gesetzgeber nicht weiter verschließen sollte.

Die nächsten Schritte zur Plattformökonomie werden schleichend sein, aber sicher kommen. Die Schwächen von bekannten E-Bid-Verfahren stehen dabei den Chancen von gelungener KI gegenüber, welche im Idealfall die besten Gesamtkonzepte auswählt – sozusagen den teils angestaubten Preis-Leistungs-Gedanken wieder aufleben lässt.

Die Frage, die mich abschließend umtreibt: Werden wir Aufträge ersteigern, oder vielmehr unsere Leistungen versteigern?"

Man kann also nur hoffen, dass aus einer bislang nur herbeibeschworenen Digitalisierungseuphorie in kurzer Zeit keine Dysphorie – sprich eine ängstlich-bedrückte Gereiztheit – wird, wenn "Digital Elephants" wie Amazon mit Alexa-for-Business oder Alphabet/Google mit der Drei-Milliarden-Akquisition von Nest Labs das Tempo der digitalen Transformation dominieren. Oder wenn hungrige Start-ups mit großem Venturecapital – sogenannte "Digital Piranhas" – von den etablierten Playern ein Stück der realen Märkte erobern. Angesichts dieser sich abzeichnenden Entwicklung könnte sich so mancher Manager der dritten industriellen Revolution über digitale Plattformen bald in die zweite Reihe gedrängt sehen.

Durchaus denkbar: Aufträge werden über Vergabeplattform versteigert

Die Liste junger Start-ups, die als "Unicorn" – das heißt mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar – mit ihren Plattformen etablierte Branchenstrukturen attackieren, wird jedenfalls immer länger. Diese Plattformen sind den klassischen Akteuren in den jeweiligen Segmenten oft schon deshalb überlegen, weil sie das Angebot quasi ohne Kosten ausweiten und ihr Geschäftsmodell in hohem Maße skalieren können. Und obwohl deren Bedeutung international stetig wächst, wird das dahinterstehende Geschäftsmodell in Deutschland weitgehend ignoriert. Ein Großteil der Geschäftsführer und Vorstände deutscher Unternehmen haben den Begriff Plattformökonomie noch nicht einmal gehört, wie Umfragen des Branchenverbandes Bitkom zeigen.

Plattformökonomie wird von Fachleuten als Herzstück der digitalen Revolution bezeichnet. Mittel- und langfristig könnte der oben skizzierte Veränderungsdruck durch die Integration von digitalen Tools und Techniken auf einer B2B-Serviceplattform oder einer Vergabeplattform noch übertroffen werden: Man stelle sich nur einmal vor, wenn mit Sensorik ausgestat­tete Facilities wie Fahrstühle, Rolltreppen, Lüftungs- oder Heizungsanlagen ihren Instandhaltungsbedarf selbstständig, das heißt via eines automatisierten M2M-Informationsaustauschs melden (M2M steht für machine-to-machine).

Ein weiteres, nicht abwegiges Szenario: Die Sensorik im Reinigungsbereich signalisiert den Servicebedarf an eine Plattform (mit Reinigungsrobotern), die ihrerseits den Leistungserbringer dann nicht auf der Grundlage eines mehrjährigen Dienstleistungsvertrages ermittelt, sondern die einzelnen Aufträge jeweils ad hoc versteigert und sie anschließend inklusive Smart Contracts und dem entsprechenden Zahlungsvorgang automatisiert über die Blockchain abwickelt. Die eigentlichen Services werden dabei zwar bis auf Weiteres noch von den klassischen Dienstleistern der Branche erbracht. Doch so wie Apple (zurzeit noch) bei kostenpflichtigen Apps von den Anbietern eine 30-Prozent-Abgabe des Umsatzes (!) einbehält, wird auch der Betreiber solcher Facility-Services-Plattformen einen Anteil der Umsatzmargen für sich reklamieren wollen.

Michael Kregel: Der Mensch darf nicht in den Hintergrund geraten

Michael Kregel - © Evers & Kregel

Michael Kregel, Geschäftsführer, Evers & Kregel, Düsseldorf: "Eines kann meiner Meinung nach vorweg gestellt werden: Das Digitalisierungspotenzial der heutigen Zeit ist unbestreitbar. Digitale Lösungen können durchaus als förderlich für ein Wirtschaftswachstum benannt werden. Deswegen sind solche Investitionen auch für Unternehmen in der Gebäudereinigung von Vorteil.

Dem gegenüber stehen oft hoher Aufwand und bürokratische Hürden. Angesichts dessen gerät der digitale Fortschritt immer wieder ins Stocken. Doch ist der Mensch nicht automatisch die Innovationsbremse. Vielmehr bin ich der Meinung, dass er die Aufgabe hat, übersichtlichere Strukturen zu schaffen und schnelle Entscheidungen zu treffen.

Auch bei Evers und Kregel haben wir noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Doch hat sich gezeigt, dass sich nach dem Aufwand zur Implementierung digitaler Lösungen Erfolge einstellen, die altbewährte Arbeitsprozesse durch Effektiveres ersetzen. Dazu gehören heutige Standards, wie der mobile Zugriff auf unseren Server. Statt vollgestopfter Akten in den Büroregalen greifen wir auf digitale Ordner zurück. Dadurch haben sich für alle unsere Mitarbeiter die Wege sowie der zeitliche Aufwand reduziert – und vor allem gewähren diese Lösungen für alle einen besseren Überblick über aktuelle Sachlagen. Nicht zuletzt dienen auch Handys und Tablets dazu, dass Aufträge sofort digital angelegt, bearbeitet und eingesehen werden können. Die Daten zu erbrachten Leistungen landen in Echtzeit bei den Verantwortlichen.

Doch bewegen wir uns mit diesen Entwicklungen auf einem Standard, der schon seit Jahren selbstverständlich ist. Unter anderem sehe ich die Ursache darin, dass gerade der Deutsche das, was bisher funktioniert hat, nicht gerne ersetzt.

Bei all dem Innovationsdrang bin ich jedoch auch der Meinung, dass der Mensch nicht in den Hintergrund geraten darf. Bei neuen digitalen Möglichkeiten dürfen diese nicht auf Personaleinsparung hinauslaufen. Denn Fortschritt sehe ich nur dann als ganzheitlichen Erfolg, wenn alle Beteiligten dafür begeistert werden können."

Diese – heute in unserer Branche zugegebenermaßen noch theoretischen – Beispiele werfen natürlich auch Fragen auf: Verspricht der Bereich der Services überhaupt das Potenzial für diese Art von Plattformökonomie? Oder versprechen solche digitalen Geschäftsmodelle letztlich keinen Erfolg, weil es ihnen nicht gelingt, attraktive digitale Ökosysteme zu schaffen, die für die Kunden einen echten Mehrwert bieten? Zeigen sich Themen wie Betreiberverantwortung und Datenschutz oder das fehlende Branchen-Know-how in diesem People Business für externe Akteure am Ende doch als unkalkulierbare und unüberwindbare Einstiegshürde? Wird also im Gegenteil so manche Plattform nach kurzer Zeit wieder von der Bildfläche verschwunden sein?

Es kommt Bewegung in die ­Ketchupflaschen-Geschäftsmodelle

Zurzeit weisen die an den Börsen gefeierten jungen Wilden nicht selten noch Verluste von mehreren Hundert Millionen US-Dollar im Quartal aus. Getrieben vom massiven Druck der Investoren und ­Märkte kommt jedoch auch in Deutschland Bewegung in ­diese Ketchupflaschen-Geschäftsmodelle, bei denen sich der Erfolg zwar zeitverzögert einstellt, dann aber doch für viele überraschend kommt und mit einem riesigen Schwall an Veränderung einhergeht.

Noch wird in vielen Segmenten hinter vorgehaltener Hand darüber gelacht, dass bald neue Akteure die klassischen Leistungen oder etablierten Geschäftsmodelle rund um die Services infrage stellen könnten. Fragt sich nur, wie lange noch, denn: Es sei stets das Lachen der Halbtoten auf dem Weg zum Friedhof, an dem man eine Disruption ablesen kann, wie es einmal ein Insider aus dem Silicon Valley auf den Punkt brachte. In der Automobilindustrie, bei den Banken und auch Versicherungskonzernen wird mittlerweile jedenfalls nicht mehr gelacht!

Der Appell an Akteure im Umfeld der Gebäudedienste lautet daher: Es muss nun dringend damit begonnen werden, auch die Bereiche der infrastrukturellen Services mit digitalen Tools aufzuwerten sowie digitale Plattformen zu bauen, um die unausweichlichen Entwicklungen proaktiv voranzutreiben und nicht zu Getriebenen zu werden.

Die Innovationsforschung kennt den empirischen Befund, dass der größte Treiber für Veränderungen der Handlungsdruck von außen ist. So baut sich beispielsweise in Brüssel über die Verordnungen rund um das Akronym ESG zurzeit ein regulatorischer Druck auf, der künftig ein Greenwashing unterbinden soll. Wenn die viel zitierte These stimmt, dass Nachhaltigkeit und Digitalisierung untrennbar zusammengehören, bleibt die digitale Transformation somit kein Exklusivthema für Technik-Nerds, sondern wird zur zentralen Aufgabe der Unternehmensführung. Für den Innovationsforscher und -berater ist das eine spannende Zeit – für klassische Bereiche der deutschen Wirtschaft stehen derweil existenzielle Weichen­stellungen an!

Prof. Dr. Markus Thomzik | guenter.herkommer@holzmann-medien.de

Markus Thomzik - © Westfälische Hochschule

Prof. Dr. Markus Thomzik

lehrt und forscht in den Fachbereichen Betriebswirtschaftslehre, Facility Management, Digitalisierung und Innovationsmanagement an der ­Westfälischen Hochschule Gelsen­kirchen.