Die „uferlose Abmahnung“ Vorsicht bei Übertreibungen geboten

Es ist allgemein bekannt, dass Abmahnungen sehr genau zu formulieren sind – andernfalls sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen.Eine neue Stolperfalle urteilte das Arbeitsgericht Bochum nun aus, denn nicht nur der Pflichtverstoß, sondern auch die Erwartungshaltung aus der Abmahnung muss genau formuliert werden. Der Fall: Nach Vertragsverstoß erhielt die Arbeitnehmerin eine Abmahnung, die neben dem Pflichtverstoß zusätzlich enthielt: „Sollten Sie sich einen weiteren Verstoß gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zuschulden kommen lassen, der nicht auf die Wiederholung der oben genannten Pflichtverletzung beschränkt ist, müssen Sie damit rechnen, dass das Arbeitsverhältnis ...“. Ergebnis: Der arbeitnehmerseits erhobenen Klage vor dem Arbeitsgericht Bochum wurde entsprochen, die Abmahnung für unwirksam erklärt. Rechtsprobleme bei AbmahnungenBei arbeitsvertraglichen Pflichtverstößen riskiert der Arbeitnehmer eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen. Zweck der Kündigung im Rechtssinne ist Prävention, also dass in Zukunft keine Vertragsstörungen eintreten, und nicht die Sanktion. Dieses Prognoseprinzip ist verbunden mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Danach ist die Kündigung erst dann verhältnismäßig, wenn kein milderes Mittel gegeben ist, was zumindest den Ausspruch einer Abmahnung voraussetzt. Die drei Anforderungen sind Hinweisfunktion, Rügefunktion und Warnfunktion. Das Fehlverhalten muss für den Arbeitnehmer erkennbar sein, der Pflichtverstoß ist zu rügen und es muss dazu aufgefordert werden, sich künftig vertragsgerecht zu verhalten. Und – last, but not least – die Warnfunktion: Dass für den Fall der Wiederholung mit einer Kündigung zu rechnen ist. Die Rechtsprechung: Pauschale Formulierungen wie „schlechtes Reinigungsverhalten“, „Zuspätkommen“ oder „unentschuldigtes Fehlen“ genügen der Hinweisfunktion nicht, da sie viel zu ungenau sind. Erforderlich ist die Aufforderung, ganz bestimmte Tätigkeiten durchzuführen oder um exakt 5.45 Uhr an der Einlasspforte des Kunden zu erscheinen. Wann aber gilt ein Arbeitnehmer als „vorgewarnt“ und muss tatsächlich mit einer Kündigung rechnen? Praxistipp: Leert eine Reinigungskraft in bestimmten Räumen die Papierkörbe nicht, so muss für exakt diesen Wiederholungsfall, den konkreten Vertragsverstoß, die Kündigung angedroht werden. Es reicht nicht aus, allgemeine Vorwürfe wie schlampiges Arbeiten oder Unpünktlichkeit für die Abmahnung und im Wiederholungsfalle die Kündigung zu verwenden. Auf die Formulierung in der Abmahnung ist genau zu achten und vom Arbeitnehmer ist eine ganz konkrete Verhaltensänderung in der Zukunft zu verlangen. Zum konkreten Fall: Die Androhung einer Kündigung für den Fall der wiederholten Pflichtverletzung muss sich genau auf diejenige beziehen, die in der Abmahnung steht. Kommt der Arbeitnehmer zu spät und wird hierfür abgemahnt, kann er sodann nicht wegen schlechter Reinigungsleistung beim zweiten Vertragsverstoß gekündigt werden. Das uferlose Androhen einer Kündigung gehört, so nun das Arbeitsgericht Bochum, nicht in eine Abmahnung. Eine derart weitgefasste Kündigungsandrohung überschreitet das zulässige Maß der Warnfunktion, macht diese inhaltlich wegen fehlender Verhältnismäßigkeit rechtsunwirksam und damit eine hierauf gestützte Kündigung ebenso. Anmerkung: Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage prüfen Gerichte den zugrundeliegenden Sachverhalt genauestens. Dies schließt Arbeitsanweisung, den konkreten Verstoß des Mitarbeiters, die darauf gestützte und formulierte Abmahnung und den Wiederholungsverstoß im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein. Jens Köhler, Fachanwalt für Arbeitsrecht, info@KanzleiKoehler.de