Dürre Sommer, Energiewandel, ESG: Die Impulse kommen in kurzer Folge und legen allen Wirtschaftsakteuren nahe, ihre Nachhaltigkeitsstrategie zu schärfen. Was bedeutet dies für die Gebäudereinigung?

ESG steht für Environment, Social und Governance. Die Begriffe entstammen der englischen Version der im Jahr 2021 in Kraft getretenen, europäischen Offenlegungsverordnung EU 2019/2088 ("nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungsverpflichtungen im Finanzdienstleistungssektor"). Die Anforderung, keinen signifikanten Schaden an Umwelt und Gesellschaft durch die eigenen Investitionen zu bewirken und den Prinzipien einer guten Geschäftsführung zu entsprechen, wird in der zugehörigen Taxonomie EU 2020/852 konkretisiert. Seit 1. Januar 2023 ist von Akteuren der Finanzindustrie zu allen sechs benannten Unterkriterien der ökologischen Nachhaltigkeit zu berichten. Konkret sind dabei eventuelle Risiken zu benennen sowie eigene Aktivitäten, die einen Beitrag zu folgenden Punkten leisten:
- Klimaschutz;
- Anpassung an den Klimawandel;
- nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen;
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft;
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung;
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.
Die Anforderungen nach ESG werden sich mittelfristig auch in operativen Verträgen unter anderem im Bereich der Reinigung wiederfinden. Bereits heute enthält der Mustervertrag von Gefma und RealFM Textbausteine für die Vereinbarung von Nachhaltigkeit im Facility Management entsprechend der Gefma-Richtlinie 160: Nachhaltigkeit im FM. Diese Richtlinie wendet die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung in den Bereichen der ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen beziehungsweise funktionalen Nachhaltigkeit an. Dafür wurden insgesamt 25 Kriterien entwickelt.
Eines dieser Kriterien thematisiert den Status quo von nachhaltiger Reinigung – mithilfe von Indikatoren, die sich auf Details der zu erbringenden Services beziehen. Die Indikatoren bilden einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess ab, indem sie die einzelnen Phasen thematisieren, welche die Reinigungsservices auf Ressourcen- und Umweltschonung sowie auf Gesundheitsschutz ausrichten: Planung, Durchführung, Kontrolle und gegebenenfalls auch Verbesserung (Plan, Do, Check, Act – oder kurz: PDCA).
Zur Planung (Plan) wird beispielsweise ein Reinigungsregister bezogen auf eine bedarfs- oder (in Teilen) ergebnisorientierte Vertragsgestaltung erwartet. Der Prozess ist idealerweise nach EMAS, ISO 9001 beziehungsweise 14001 zertifiziert und wird von Reinigungspersonal durchgeführt, das bezüglich der Umsetzung von Nachhaltigkeit geschult ist und von entsprechend fortgebildeten Führungskräften angeleitet wird (Do).
Geräte und Verbrauchsmaterialien werden – nachweislich – nach den selbst aufgestellten Kriterien zur Nachhaltigkeit im Reinigungsservice der jeweiligen Immobilie eingekauft und eingesetzt. Im Detail sollten nachhaltige Betriebsmittel gemäß Gefma 160-1 je nach Anwendungsbereich und Gerät mindestens zwei der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
- Vorhandensein von Dosierhilfen (nach Bedarf);
- effektive Filtertechnik zur Reduzierung von Staub-/ Partikelemissionen;
- ergonomische Qualität (geringes Gewicht, reduzierte Erschütterungen/Vibrationen, einfache Bedienbarkeit);
- hohe Energieeffizienz;
- geringer Wasserverbrauch;
- geringe Lärmemissionen.
Darüber hinaus sind geltende Regeln zur Lagerung von Gefahrenstoffen einzuhalten. Nachhaltig ist zudem die Portionierung von Verbrauchsmaterialien zum Beispiel gemäß dem Tagesbedarf. Eine gute Kontrolle (unangemeldet) und Dokumentation des Ergebnisses setzen die Anforderungen in der Check-Phase um. Auf Basis der Ergebnisse werden schließlich Verbesserungsmaßnahmen (Act) der Reinigungsdienstleistung identifiziert und umgesetzt.
Zertifizierung mittels App
Zu den weiteren Kriterien, an denen sich Nachhaltigkeit in Reinigungsservices orientiert, zählen Betriebsstrategie, Rechtssicherheit, Beschaffung, Dokumentation und Berichtswesen. Wendet man sämtliche Kriterien aus Gefma 160 auf alle Services zum Betreiben eines Gebäudes an, so kann man den Erfüllungsgrad der eingangs beispielhaft für die Reinigung beschriebenen Nachhaltigkeitskriterien durch eine externe Prüfung zertifizieren lassen. Dazu ist der Zertifizierungswunsch bei Gefma anzumelden. In der Folge kann man den vollständig digitalisierten Bewertungsprozess durchlaufen – begleitet von einer Person, die eine Schulung für SustainFM absolviert hat. Die App SustainFM (frei erhältlich in allen App-Stores) zeigt diesen Prozess für zehn der insgesamt 25 Kriterien auf. Belege für die Zertifizierung lassen sich in der App digital sammeln und später prüfen. Die alle Kriterien umfassende App ist nach Anmeldung einer Zertifizierung bei Gefma nutzbar.
Nachhaltige Beschaffung
Auch ohne eine Zertifizierungsabsicht ist die Beschaffung von möglichst nachhaltigen Produkten für den Gebrauch im Reinigungsservice ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Reinigung. Aufgrund der stetig wachsenden Anzahl von Gütesiegeln fällt die Auswahl allerdings bisweilen schwer. Manche weisen vor allem Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit aus, zum Beispiel einen reduzierten Carbon Footprint, gewässerschonende Chemikalien, Verwendung von Recyclingmaterial für die Verpackung et cetera (beispielhaftes Siegel: Blauer Engel). Andere gehen auch auf soziale Aspekte der Nachhaltigkeit ein – etwa auf die faire Entlohnung von Arbeitskräften in den Herstellerländern (beispielhaftes Siegel: Fairtrade) oder gesundheitliche Aspekte für die Nutzenden des Produktes (zum Beispiel Verzicht auf hautreizende Inhaltsstoffe).
Auch der Anspruch bei der Reduktion von negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt kann unterschiedlich hoch sein. Dazu kommt als Qualitätsmerkmal die externe Prüfung von Angaben, die zur Siegelvergabe geführt haben. Bei selbst vergebenen Siegeln ist eine solche Prüfung meist nicht vorgesehen. Wie relevant ist jetzt aber ein Siegel für die individuelle Produktauswahl? Zur Beantwortung dieser Frage findet man inzwischen diverse Unterstützung, beispielsweise auf der Internetseite siegelklarheit. de, die von der deutschen Bundesregierung gefördert und von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) entwickelt wurde.
Für die öffentliche Hand bereitet die GIZ die Daten weiter auf unter www.kompass-nachhaltigkeit.de; hier ist auch eine detaillierte Vergleichsansicht von Siegeln abrufbar. Maßgeblich für die öffentliche Beschaffung von Reinigungsdienstleistungen ist das EU-Umweltzeichen für Reinigungsmittel für harte Oberflächen (2017/1217 /EU). Der zu diesem Thema in 2017 überarbeitete Leitfaden des Bundesumweltamtes (Leitfaden zur öffentlichen Beschaffung von Reinigungsdienstleistungen und -mitteln) benennt als Ziele die mengenmäßige Begrenzung schädlicher Inhaltsstoffe, die sparsame Verwendung von Reinigungsmitteln und wenig Verpackungsabfall. Außer einem entsprechenden Nachweis zu Inhaltsstoffen und Verpackung sind Dosierhilfen und Schulungen relevant. Im Leitfaden werden stark umweltbelastende Reinigungsmittel und -methoden gänzlich ausgeschlossen – darunter der Einsatz von WC-Steinen, Duftspendern oder von chemischen Abflussreinigern.
Der Carbon Footprint von Services
Da sich die Bundesregierung in Deutschland vorgenommen hat, bis 2045 klimaneutral zu wirtschaften – einige Kommunen wie zum Beispiel Berlin wollen das bereits bis 2030 erreichen –, wird in den nächsten Jahren CO2 zur zweiten Währung. Entsprechend werden auch Services auf Optionen zur CO2-Reduktion hin analysiert werden. Das bedeutet: Bei Angeboten kann ein Konzept zur CO2-reduzierten Serviceerbringung den Ausschlag geben. In diesem Zusammenhang stellt sich zuerst die Frage: Wie ist der Status quo meiner Dienstleistung?
Nach Gefma 162 (Carbon Management im FM) zählen dazu nicht nur Verbrauchsmaterialien (Betriebsstoffe) wie das Reinigungsmittel und der Einmalhandschuh, sondern auch die Betriebsmittel wie zum Beispiel der Staubsauger oder die Arbeitsbekleidung. Des Weiteren werden Transportprozesse mit einbezogen – hierzu zählt insbesondere die Mobilität der Mitarbeitenden: Wie lang sind deren Arbeitswege (inklusive Pendeldistanz) und mit welchem Verkehrsmittel werden diese Wege zurückgelegt? Nicht zuletzt trägt auch das servicenahe Management (zum Beispiel Kundenbetreuende oder Objektleitende) mit seinen CO2-Emissionen für ein Büro und einen eventuellen Dienstwagen zu den Emissionen bei, die im Zusammenhang mit dem Reinigungsservice entstehen und gegebenenfalls optimierbar sind. Gefma 162 bietet für diese Abschätzung eine Excel-Datei inklusive beispielhafter Kennzahlen sowie ein Online-Tool (carbonFM.de).
Im Rahmen des Forschungsprojektes CarMa – Carbon Management für Facility Services (2019-2021, HWR und HTW Berlin) wurden am vereinfachten Beispiel eines Gebäudes mit 15.000 m² Bürofläche und einer wöchentlichen (meist) Trockenreinigung mit Nebentätigkeiten die Optimierungspotenziale für die Reinigung analysiert. Auf ein Jahr gerechnet wurden zunächst folgende Ausgangskennzahlen ermittelt: 7,3 t CO2 pro Jahr für die sparsame Reinigung der Gesamtfläche beziehungsweise 0,5 kg CO2 je m². Optimierungsmaßnahmen bestehen beispielsweise darin, zwei Tageskräfte mit Vollzeitstellen (4 x 7 Stunden) zu schaffen, anstatt sieben Personen zweimal pro Woche für vier Stunden zum Objekt fahren zu lassen. Allein dies würde 1.265 kg weniger CO2/a für 15.000 m² bedeuten. Auch ein Verzicht auf Plastikbeutel in Papierkörben (Plastikbeutel nur für Nassmüll in den Teeküchen) offenbarte ein erstaunliches Reduktionspotenzial von 97 % – sprich: 43 statt 1.479 kg CO2/a für 15.000 m².
Wenn auch das servicenahe Management in energetisch optimierten, kleineren Büros arbeiten würde und die mit der Kundenbetreuung befasste Person 50 % ihrer Fahrten durch Videotelefonie ersetzen würde, dann ließen sich anteilig weitere 513 kg CO2/a einsparen. Insgesamt könnte der Carbon Footprint des Reinigungsservice auf diese Weise pro Quadratmeter um 62 % auf 0,19 kg CO2 pro Jahr reduziert werden.
Kreislaufwirtschaft in der Reinigung
Die Anforderung, möglichst viele Produkte/Materialien in einem Kreislauf zu führen, besteht zwar schon lange; angesichts der aktuellen Probleme hinsichtlich der Verfügbarkeit von Materialien und der Nennung der Circular Economy in der Taxonomie zur Konkretisierung der ESG-Berichterstattung wird diesem Konzept nun aber eine erhöhte Aufmerksamkeit zuteil und es stellt sich die Frage: Wie schaffen wir es, Materialien oder Produkte in einen vollständigen biologischen oder technischen Kreislauf zu überführen? Dies sollte möglichst auch ohne Downcycling (Wiederverwendung für eine minderwertigere als die ursprüngliche Nutzung) erfolgen, denn sonst muss doch immer wieder neues Material extrahiert und verarbeitet werden.
Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz definierte schon 2012 in § 6 eine Abfallhierarchie:
- 1. Vermeidung
- 2. Vorbereitung zur Wiederverwendung
- 3. Recycling
- 4. Sonstige Verwertung, insbesondere energetische Verwertung und Verfüllung
- 5. Beseitigung
Für die Vermeidung ist es besonders wichtig, dass Produkte langlebig und immer wieder nutzbar sind. Das ließe sich etwa durch ein Rücknahme- oder Pfandsystem für Kanister von Reinigungsmitteln umsetzen. Weiteres Beispiel: Wenn man Reinigungsgeräte vom Hersteller nur least oder als Dienstleistung anmietet (x Stunden funktionsfähiger Reinigungsautomat/Product as a Service), dann hat der Hersteller ein großes Interesse an einer Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit der Geräte. Er wäre auch derjenige, der ein hochwertiges Recycling umsetzen könnte, weil defekte Produkte wieder in sein Haus zurückkehren. Die Vorbereitung zur Wiederverwendung kann darin bestehen, möglichst sortenreine Materialien mit lösbaren Fügungen (Stecksystem, Verschraubung, keine Klebung) im Design/Redesign der Geräte vorzusehen.
Das Zertifikat Cradle to Cradle (C2C) zeichnet Produkte aus, die einen möglichst vollständigen Materialkreislauf umsetzen und dabei erneuerbare Energie zur Herstellung nutzen, den Wasserkreislauf wenig belasten sowie auf faire Arbeitsbedingungen in der Wertschöpfungskette achten. Einige Reinigungsmittel können dieses Zertifikat bereits vorweisen, nach C2C-Reinigungsgeräten sucht man noch vergeblich (siehe www.c2ccertified.org/products/registry).
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Für eine nachhaltige Gestaltung von Reinigungsservices existieren verschiedene Standards und Leitfäden, die Hinweise darauf geben, worauf man achten sollte. Die EU-Taxonomie setzt den Rahmen mit der Anforderung, dass bei Investitionen – beispielsweise in Immobilien – regelmäßig zu den ökologischen Auswirkungen des Investments berichtet werden muss. Seit 2022 sind Angaben zum Klimaschutz erforderlich und ab diesem Jahr unter anderem auch zur Kreislaufwirtschaft bei Aktivitäten des Gebäudebetriebs. Vor diesem Hintergrund sind für eine Verbesserung von Reinigungsservices im Sinne des Klimaschutzes und der Kreislaufwirtschaft neue Ideen und Geschäftsmodelle gefragt.
Andrea Pelzeter | guenter.herkommer@holzmann-medien.de