Strafrecht: Persönliches Risiko wird oft unterschätzt

Bei Unfällen oder Versäumnissen im Geschäftsbetrieb der Gebäudedienstleister ­drohen schnell strafrechtliche Konsequenzen. Entsprechende Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft sind belastend, die Verteidigung kann teuer werden. Zwar kann die GmbH im Ergebnis nicht ins Gefängnis gehen – der Geschäftsführer hingegen schon.

In den Fokus der Staatsanwaltschaft zu geraten, mag sich keiner gerne vorstellen – kann aber schnell passieren. - © Andreas Gruhl/stock.adobe.com

Die strafrechtlichen Verfahren bei den Gebäudedienstleistern steigen wieder an. Staatsanwaltschaft, Behörden und Berufsgenossenschaft haben die Branche als Betätigungsfeld wiederentdeckt. Bereits ­kleine organisatorische Mängel oder falsche Dokumente der Mitarbeiter können seitens der Staatsanwaltschaft als Ermittlungsgrund genutzt werden.

Die Pandemie setzt die Gebäudedienstleister zusätzlich aus der strafrechtlichen Perspektive erheblich unter Druck. Werden die erforderlichen Schutzmaßnahmen sorgfaltswidrig nicht umgesetzt, drohen womöglich Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Körperverletzung oder – im schlimmsten Fall – sogar fahrlässige Tötung, wenn die aufgrund einer Covid-19-Infektion erkrankte Person verstirbt. Des Weiteren ist eine s trafrechtliche Haftung nach dem Infektionsschutz- und Arbeitsschutzgesetz möglich. Werden Fehler bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld und Corona-Soforthilfe unterstellt, ermittelt die Staatsanwaltschaft schnell gegen die Geschäftsleitung wegen Vorwurf des Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) oder des Betrugsvorwurfs bei unsachgemäßer Beantragung von Kurzarbeitergeld (§ 263 StGB).

Die Vorstellung, dass die Staatsanwaltschaft im eigenen Unternehmen ermittelt, mag im ersten Moment geradezu absurd erscheinen. Als gesetzestreuer Bürger und Unternehmer im Gebäudereiniger-Handwerk zahlt man seine Steuern und stiftet auch niemanden zu Straftaten an. Alle unternehmerischen Entscheidungen werden unter der Prämisse der rechtlichen Korrektheit getroffen. Folgende Schadenbeispiele zeigen, wie man schnell trotz allem in den Fokus der Staatsanwaltschaft rücken kann:

  • Bei einer Fassadenreinigung stürzt ein ungesicherter Mitarbeiter ab und verletzt sich schwer. Gegen den Geschäftsführer des Gebäudedienstleisters wird durch die Berufsgenossenschaft ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Vorwurf: Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften.Die Staatsanwaltschaft leitet ebenfalls ein Verfahren wegen Körperverletzung ein (Verfahrenskosten 33.200 Euro).
  • Infolge günstiger Auftragslage setzt der Betriebs­inhaber ausländische Arbeitskräfte ein, die ihm aber gefälschte Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse vorlegen. Gegen ihn wird ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Zuwanderungsgesetz/Aufenthaltsgesetz eingeleitet (Verfahrenskosten 18.900 Euro).
  • Ein Mitarbeiter verursacht bei einer Dienstreise einen schweren Kfz-Unfall mit Personenschaden und Todesfolge. Es stellt sich heraus, dass der Mitarbeiter keinen Führerschein hat. Dies verschwieg er gegenüber der Firma, da er den Verlust des Arbeitsplatzes fürchtete. Gegen den Inhaber wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, da dieser versäumte, regelmäßig die Fahrerlaubnis der Mitarbeiter zu überprüfen (Verfahrenskosten 8.600 Euro).
  • Zur Reinigung einer Glasfassade wird ein Hebekran eingesetzt. Wegen mangelhafter Sicherung der Plattform kippt der Hebekran während der Arbeit zur Seite. Der Arbeiter und ein Passant, der dem Kran nicht ausweichen kann, werden verletzt. Zusätzlich kommt es zu einer schweren Beschädigung einer Glasfassade. Gegen den Verantwortlichen wird durch die Berufsgenossenschaft ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen des Verstoßes gegen Unfallverhütungsvorschriften eingeleitet.Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung und auf Antrag des Hauseigentümers auch wegen Sachbeschädigung (Verfahrenskosten inklusive Gutachten 75.300 Euro).

Durchsuchung und Beschlagnahme: Was zu beachten ist

Die Vorbereitung auf den Ernstfall:

  • Erstellen Sie eine Liste mit allen Telefonnummern und Kontaktdaten der Personen, die bei einer Durchsuchung umgehend zu informieren sind (zum Beispiel Führungskräfte, Rechtsabteilung, versierter Strafverteidiger).
  • Hinterlegen Sie die Liste bei dem zuerst betroffenen Personenkreis (Sekretariat, Empfang/Pforte).
  • Bereiten Sie den betroffenen Personenkreis auf den Ernstfall vor: Denken Sie dabei auch an entsprechende Information der IT-Abteilung, damit diese sich im Fall von Server-Durchsuchungen richtig verhält. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, die Angehörigen der Geschäftsleitung miteinzubeziehen, da häufig zeitgleich mit der Durchsuchung der Geschäftsräume auch die Privatwohnung durchsucht wird.

Das gilt es im Ernstfall zu berücksichtigen:

  • Prüfen Sie die Legitimationen der Beamten (Dienstausweise, Durchsuchungsbeschluss).
  • Fertigen Sie eine Kopie (zur Not auch schriftlich) dieser Unterlagen an und leiten Sie diese unverzüglich weiter an ihren externen Rechtsanwalt und die Rechtsabteilung.
  • Bitten Sie die Beamten, bis zum Eintreffen des Strafverteidigers mit der Durchsuchung zu warten.
  • Informieren Sie unverzüglich die Personen auf der Liste.
  • Nutzen Sie die gegebenenfalls gewährte Zeit bis zum Eintreffen des Rechtsanwalts, um den Ablauf der Durchsuchung mit den Beamten durchzusprechen und die erforderlichen Mitarbeiter hinzuzuziehen.
  • Stellen Sie den Beamten einen Raum zur Verfügung, der vom laufenden Geschäftsbetrieb getrennt ist und über eine Kopiermöglichkeit verfügt. So stellen Sie sicher, dass kein unmittelbarer Zugang zu Dokumenten besteht, Gespräche nicht mitgehört werden und Mitarbeiter von den Beamten nicht in scheinbar harmlose Gespräche verwickelt werden.
  • Stellen Sie entsprechend geschulte Mitarbeiter ab, die die Beamten bei der Durchsuchung begleiten.
  • Fertigen Sie über alles, was passiert und beschlagnahmt wird, umfassende Protokolle an und verlangen Sie selbst ein Protokoll und Verzeichnis der beschlagnahmten Gegen­stände.
  • Bitten Sie, unter Hinweis auf die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs, um die Erlaubnis, die beschlagnahmten Unterlagen zu kopieren.
  • Zu guter Letzt: Treten Sie kooperativ, freundlich und sachlich auf und behindern Sie die Durchsuchung nicht. Wichtig dabei: Sie sind zur freiwilligen Herausgabe von Unterlagen nicht verpflichtet – eine Mitnahme kann nur im Wege der förmlichen Beschlagnahme erfolgen. Stimmen Sie sich im Einzelfall allerdings immer mit dem Rechtsbeistand ab, da es von taktischer Bedeutung sein kann, ob ein Dokument freiwillig herausgegeben oder beschlagnahmt wurde.
Angesichts dieser Beispiele wird klar: Auch bei der Bewältigung von strafrechtlichen Risiken stehen die präventiven Maßnahmen im Fokus des Risikomanagements  Grundsätzlich sollten im Unternehmen Compliance-Regelungen verbindlich festgelegt werden. Ziel muss es sein, die Betriebsorganisation gerichtsfest zu machen, indem eine ordentliche Geschäftsführung nicht nur sichergestellt ist, sondern dies auch überwacht und vor allem dokumentiert wird.

Der Gebäudedienstleister sollte im Unternehmen unter anderem einen strafrechtlichen Krisenstab mit Zuständigkeiten und Ansprechpartnern einrichten. Dieser Krisenstab sollte einen Krisenplan verabschieden, damit auch bei einer strafrechtlichen Verfolgung der weitere reibungslose Arbeitsablauf durch sachliche Informationen und klare Anweisungen sichergestellt ist. Im Vorfeld sollten bereits Kommunikationskanäle zu Fachanwälten im Strafrecht eröffnet werden und Handlungsanweisungen für Durchsuchung und Beschlagnahme im Unternehmen ausgearbeitet vorliegen. Das oberste Gebot bei strafrechtlichen Vorwürfen: "Strafverteidiger mandatieren, gegenüber der Staatsanwaltschaft immer freundlich und kooperativ sein und nichts sagen!"

Risikotransfer auf den Strafrechtssschutz

Die Folgen der staatsanwaltlichen Ermittlungen führen in der Regel zu finanzieller Belastung, zu Produktivitätsverlust, zu Imageverlust und zu persönlicher Belastung der Strafverfolgten. Eine Strafrechtsschutzversicherung deckt strafrechtliche Verteidigungskosten und macht sie damit zu kalkulierbaren Betriebsausgaben. Viele Risikoträger bezahlen auch Präventionsmaßnahmen wie zum Beispiel Compliance-Schulungen für die Führungskräfte und Geschäftsführer.

Risikoanalyse: Das ­sollten Sie wissen

  • Persönliche Verantwortung:Strafbar ist immer nur die natürliche Person – also der Mensch – und nicht die juristische Person, respektive die Firma.
  • Organisationsverschulden: Bei Verletzung von Auswahl-, Anweisungs-, Kontroll- und Überwachungspflichten wird neben den eigentlichen Verursachern auch die Führungskraft strafrechtlich verantwortlich gemacht.
  • Top-down-Ermittlung:Die Staatsanwaltschaft, Polizei, Zoll- und Steuerfahndung ermitteln auf allen Hierarchie­ebenen; meist von oben nach unten.
  • Hohe Ermittlungsintensität:Strafverfolgungsbehörden ermitteln immer intensiver mit speziellen Sonderdezer­naten.
  • Neue Gesetze:Die Flut neuer Gesetze mit Strafbestimmungen steigt stetig. Immer häufiger werden Verantwortlichkeiten der Geschäftsleitung in Gesetzen festgeschrieben.

Wichtig ist, dass der Strafrechtsschutz bereits im Ermittlungsverfahren greift. Durch Stellungnahmen, Gutachten und rechtsanwaltliches Spezialwissen lassen sich an dieser Stelle bereits Schaden vom ­Unternehmen und dem Unternehmer abwenden und der Anfangsverdacht niederschlagen. Die Verteidigungskosten sind immer private Kosten des Beklagten und stellen keine Betriebsausgaben oder sonstige abzugsfähige Kosten für das Gebäudereinigungsunternehmen dar, obwohl der strafrechtliche Vorwurf aus der betrieblichen Sphäre kommt. Strafverteidigungskosten werden – auch bei Einstellung des Verfahrens oder Freispruch – nicht vom Staat übernommen.

Den meisten Betroffenen ist das richtige Verhalten, gerade in der extremen Situation eines Ermittlungsverfahrens, fremd. Daher ist es vordringlich, sofort q ualifizierten juristischen Beistand zu erhalten. Versierte Strafverteidiger und Gutachter, die die Verfahrensgepflogenheiten kennen, sind den Betroffenen meist nicht bekannt. Auch die Kosten werden häufig unterschätzt:Die Stundensätze für einen guten Strafverteidiger beginnen bei 350 Euro, für ein Spezialgutachten bei 2.500 Euro. Selbst bei kurzen Verfahren entstehen schnell Kosten in fünfstelliger Höhe.

Auf den Punkt gebracht: Kein Unternehmer und keine Führungskraft wollen mit diesen strafrechtlichen ­Risiken und den immensen Kosten allein gelassen werden. Hier greift die Strafrechtsschutzversicherung: Sie überführt das private strafrechtliche Kostenrisiko des Unternehmers beziehungsweise des Geschäftsführers in kalkulierbare Betriebsausgaben des Gebäudedienstleisters.

Christoph H. Neumann | guenter.herkommer@holzmann-medien.de

Christoph H. Neumann - © Sicherheitshalber

Christoph H. Neumann ist spezialisierter Versicherungs­makler für ­Gebäudedienstleister | c.neumann@sicherheitshalber.de