Bonn startet ein "Pilotprojekt Eigenreinigung". In drei Schulen und einer Kindertagesstätte sollen städtische Mitarbeiter anstelle der bisher beauftragten Gebäudedienstleister reinigen – zu deutlich höheren Kosten. Die Branche nennt das "Geldverbrennen".

Die Proteste blieben ebenso unbeachtet wie die Gegenargumente: Ab dem Sommer wird Bonn für drei Jahre ein "Pilotprojekt Eigenreinigung" durchführen. In drei Schulen und einer Kindertagesstätte sollen künftig städtische Mitarbeiter für Sauberkeit und Hygiene sorgen. Das werde pro Jahr mindestens 365.000 Euro kosten anstelle von 152.000 Euro für die bislang beauftragten Gebäudereinigerbetriebe. Ursprünglich hatte die Stadtrats-Mehrheit von SPD, Grünen, Linke und Volt einen Modellversuch in zehn Schulen, zehn Kitas und drei Verwaltungsgebäuden angestrebt. Die Verwaltung hatte daraufhin gewarnt, dafür habe sie nicht genügend Personal. Zudem müssten dafür jährlich 660.000 Euro aufgebracht werden.
In der nun beschlossenen kleineren Version des Probelaufs in Sachen Rekommunalisierung sollen 13 Teilzeitstellen für Reinigungskräfte plus eine Objektleiterstelle und eine Verwaltungsstelle geschaffen werden gegenüber den 17 Mitarbeitenden, die von den Unternehmen im Moment eingesetzt werden.
Dem städtischen Personal soll andererseits mehr als 50 % mehr Zeit eingeräumt werden, um die Arbeit zu erledigen. Begründet wurde das Pilotprojekt von der Ratskoalition damit, dass es "mehr Sauberkeit" und "mehr ordentliche, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse" bringen werde "im Gegensatz zu den vielen Minijobs", so Linken-Sprecher Michael Faber in der abschließenden Ratssitzung. Das werde dann auch der Privatwirtschaft "ein gutes Beispiel geben", ergänzte Ratsmitglied Friederike Martin (Volt Bonn), die zugleich "Ausbeutung, Lohndumping und unbezahlte Mehrarbeit" in der Gebäudereinigerbranche kritisierte.
Landesinnungsverband NRW wehrt sich
Gerade derartige Vorhaltungen empfindet der Geschäftsführer des NRW-Landesinnungsverbands, Bernd Nordhausen, als "Frechheit", die ein "Geldverbrennen" rechtfertigen solle. Sogenannte prekäre Arbeitsverhältnisse seien keineswegs ein Kennzeichen seiner Mitgliedsbetriebe. Außerdem hätten die Kommunen als Auftraggeber ja den entscheidenden Einfluss, es gar nicht zu Missständen kommen zu lassen. "Aber der Zuschlag geht ja immer an den billigsten Anbieter", so Nordhausen. Unterstützung bekam Nordhausen ausgerechnet von der Bonner Stadtverwaltung: Die Tariftreue sei ein sehr wichtiges Kriterium für die Auftragsvergabe, prekäre Verhältnisse würden daher nicht unterstützt.
Die Gebäudereiniger-Innung Bonn Rhein-Sieg ist nach den Worten von Obermeister Dirk Müller unisono der Meinung, "dass die Eigenreinigung für die Stadt Bonn erstens zu teuer wird und zweitens ohne die Beauftragung von professionellen Betrieben für die Ausfälle – insbesondere krankheitsbedingte – nicht funktionieren kann. Wir dagegen können regelmäßig Ersatzpersonal für Krankheits- und Urlaubsvertretungen aus anderen Objekten generieren. Diese Option hat die Stadt Bonn nicht oder sie müsste viel Personal vorhalten."
Die Entlohnung der künftigen Stadtmitarbeitenden liegt unter dem Branchen-Mindestlohn. Die Stadtrats-Mehrheit verwies auf die anstehenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, die eine Aufstockung bringen würden. Obermeister Müller sieht ein weiteres Problem bei dem Modellversuch – den Mangel an Objektleitern: "Hier ist die Stadt Bonn finanziell unattraktiv. Zusätzlich erhalten Objektleiter in unserer Branche einen PKW mit Privatnutzung. Dies kann die Stadt nicht bieten."
Auch der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) wehrte sich in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber den Bonner Ratsparteien gegen "Klischees und ideologische Aspekte". Eine Verstaatlichung von Reinigung führe zu einer "deutlichen Verteuerung, bei (nur) gleicher Qualität". Ein sorgsamer Umgang mit Steuermitteln sei gerade einer Stadt wie Bonn angeraten, die auf einen Schuldenberg von rund zwei Milliarden Euro blickte. Zudem gebe es nach Auskunft der Stadtverwaltung "nur eine verschwindend geringe Anzahl von nennenswerten Reinigungsmängeln". /GH