In diesem Sommer sind im Gebäudereiniger-Handwerk die ersten Prüfungen nach der neuen Ausbildungsverordnung abgenommen worden. Das Regelwerk hat nicht nur begriffliche Veränderungen mit sich gebracht, sondern auch inhaltliche, strukturelle und organisatorische Neuerungen. Was jetzt gilt.

Die gestreckte Gesellenprüfung ist einer der Kernpunkte der neuen Verordnung, die vom Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks initiiertund mit erarbeitet worden war.Die frühere Zwischenprüfung ist von einer Gesellenprüfung Teil 1 abgelöst worden. Neu ist auch, dass dieser Teil 1 benotet wird und gemeinsam mit der Gesellenprüfung Teil 2 am Ende der Ausbildung ins Gesamtergebnis einfließt. Die Gewichtung Theorie/Praxis wurde dabei leicht zugunsten der Praxis verschoben. Und: Im Mittelpunkt von Ausbildungund Prüfung stehen jetzt Begriffe wie "berufliche Handlungsfähigkeit"und "vollständige Handlung". Die Umsetzung der neuen Verordnung beziehungsweise die Neuorganisation der Prüfungen war ein aufwändiges Unterfangen für die zahlreichen Gesellenprüfungsausschüsse in Deutschland.
20 Jahre alte Verordnung angepasst
Die ersten Auszubildenden, die nach der neuen Verordnung geprüft worden sind, haben ihre Lehre im Herbst 2019 begonnen. Im Juni 2019 war die 20 Jahre alte Ausbildungsverordnung zum/zur Gebäudereiniger/-in von einer überarbeiteten Fassung abgelöst worden. Ausbildungsverordnungen werden immer wieder einmal novelliert, weil sich berufliche Anforderungen verändern, sich die Berufs-und Arbeitspädagogik weiterentwickelt oder es Innovationen gibt, die zum Stand der Technik werden, so dass gegebenenfallsdas Berufsbild – wie jetzt im Gebäudereiniger-Handwerk – angepasst werdenmuss (lesen Sie dazu den Kasten "Das neue Berufsbild fürdas Gebäudereiniger-Handwerk" weiter unten).
In einem anerkannten Ausbildungsberuf wie dem Gebäudereiniger-Handwerk darf in Deutschland nur nach einer Ausbildungsverordnung ausgebildet werden, damit eine geordneteund bundesweit einheitliche Berufsausbildung gewährleistet ist.Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) Formund Mindestinhalte der Ausbildungsverordnungen. Sie werden anschließend von Experten aus der Branche berufsspezifisch angepasst. Ein Entwurf durchläuft immer verschiedene Gremien, im Fall des Gebäudereiniger-Handwerks gehört auch die Gewerkschaft IG Bau dazu. Nach Freigabe wird die Verordnung vom Bundesministerium für Wirtschaftund Energie unterzeichnetund im Bundesanzeiger veröffentlicht. Damit ist sie rechtsgültig. Jede Ausbildungsverordnung beinhaltet mindestens die Berufsbezeichnung, die Länge der Ausbildung,das Ausbildungsberufsbild, die Prüfungsanforderungenund den Ausbildungsrahmenplan. An diesen Eckpunkten können Handwerksverbände, Unternehmerverbände oder auchdas Institut für Berufsbildung gegebenenfalls Novellierungen vornehmen.
Berufliche Handlungsfähigkeit im Fokus
Die neue "Verordnung über die Berufsausbildung zum Gebäudereinigerund zur Gebäudereinigerin" (Gebäudereinigerausbildungsverordnung, abrufbar zum Beispiel auf www.die-gebaeudedienstleister.de/beruf-und-karriere) will, dass den Auszubildenden die im ebenfalls neuen Ausbildungsrahmenplan genannten berufsprofilgebenden Fertigkeiten, Kenntnisseund Fähigkeiten so vermittelt werden, dass sie nach der Gesellenprüfung "berufliche Handlungsfähigkeit" erreicht haben. Dazu, unddas verlangt die neue Verordnung ebenfalls, muss der Ausbilder einen Ausbildungsplan erstellen. Der Plan enthält eine auf den Betrieb abgestimmte sachlicheund zeitliche Gliederung der im Ausbildungsrahmenplan aufgeführten zu vermittelnden Fertigkeiten.
Planen, durchführen, kontrollieren
Die berufliche Handlungsfähigkeit ist erreicht, wenn die Auszubildenden in der Lage sind, einen Arbeitsauftrag selbstständig zu planen, durchzuführenund zu kontrollieren. Dementsprechend wurde von der Kultusministerkonferenz auch ein neuer Rahmenlehrplan für Berufsschulen in Auftrag gegeben. Auch hier folgen die Lernfelder dem neuen Aufbau: Informationen über den Arbeitsauftrag einholen, die Arbeit planen, durchführen,das Reinigungsergebnis kontrollieren, dokumentierenund vergleichen, ob die Planung mit dem ausgeführten Arbeitsauftrag konform ging.
So setzt sich die Gesamtnote zusammen
- Gesellenprüfung Teil 1 (30 Prozent)
Schriftlicheund praktische Prüfung: jeweils 15 Prozent
- Gesellenprüfung Teil 2 (70 Prozent)
Schriftliche Prüfung (Reinigen, Pflegenund Konservieren von Oberflächen): 20 Prozent
Schriftliche Prüfung (Wirtschafts-und Sozialkunde): 10 Prozent
Praktische Prüfung (Grund-und Außenreinigung): 25 Prozent
Praktische Prüfung (Durchführen einer Hygienemaßnahme): 15 Prozent
Übertragen in die betriebliche Praxis der Ausbildung meint dieses Prinzip der „ vollständigen Handlung“, dass die Auszubildenden bereits in der Lehrzeit einen Arbeitsauftrag – zum Beispiel Sprühextraktion von textilen Belägen – erhalten. Zur Planung gehören die Zusammenstellung der Maschinen, Geräte, Reinigungsmittelund Hilfsmaterialien für den Auftrag sowie die Einrichtung des Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung des Schutzes des Eigentums des Kunden. Der Arbeitsauftragmuss kalkuliert werden.Die Durchführung beinhaltet neben der Prüfung der Reinigungsfähigkeit des Belagesund der Aufnahme von Schäden das Abarbeiten des Arbeitsauftrages in der fachlich korrekten Reihenfolge. Bei der Durchführung müssen die Belange des Arbeits-und Gesundheitsschutzes sowie des Umweltschutzes, zum Beispiel beim Entsorgen der Schmutzflotte, beachtet werden. Mit Kontrolle istdas Überprüfen des Reinigungsergebnisses gemeint. Falls die Selbstkontrolle Mängel ergibt, sind diese nachzuarbeiten, bevor der Kunde reklamieren kann. Wenn die Auszubildenden diesem Muster – planen, durchführen, kontrollierenund auch dokumentieren – bei all ihren Arbeitsaufträgen selbstständig folgen können, haben sie die berufliche Handlungsfähigkeit erreichtund können sich der Gesellenprüfung stellen.
Nachhaltigkeit stärker verankert
Die berufliche Handlungsfähigkeit ist eine Vorgabe, die in der neuen Ausbildungsverordnung ausdrücklich gefordert wird. Dies fließt auch in die Prüfungskriterien ein. Außerdem wird im Rahmen des Berufsbildes nun unterschieden in berufsprofilgebende Fertigkeiten, Kenntnisseund Fähigkeiten sowie integrativ zu vermittelnde Kenntnisseund Fähigkeiten, zu denen neben Arbeits-und Tarifrecht und Organisation des Ausbildungsbetriebes auch Arbeits-und Gesundheitsschutz, Umweltschutzund Nachhaltigkeit gehören. So explizit wardas in der früheren Version der Ausbildungsverordnung nicht beschrieben.
Gestreckte Gesellenprüfung
Die wesentlichste Änderung – unddas hat Gebäudereiniger-Handwerk intensiv beschäftigt – sind die neuen Vorgaben zur Prüfung. Es wird nun nicht mehr in Zwischenprüfungund Gesellenprüfung unterschieden, sondern es gibt eine gestreckte Gesellenprüfung: In der Mitte ihrer Ausbildung absolvieren die Auszubildenden die Gesellenprüfung Teil 1 und am Ende der Ausbildung die Gesellenprüfung Teil 2. Beide Prüfungsteile fließen in die Endnote ein. Bisher hatten die Noten der Zwischenprüfung keinen Einfluss auf die Resultate der Gesellenprüfung. Sie dienten lediglich dazu, dem Ausbilder den Stand des Auszubildenden zu spiegeln.Die gestreckte Gesellenprüfung ist so angelegt, dass Teil 1 nach der halben Ausbildungszeit durchgeführt wirdund 30 Prozent zur Note zählt. Teil 2 der Gesellenprüfung wird am Ende der Lehrzeit abgenommenund geht mit 70 Prozent in die Note ein.
Das neue Berufsbild fürdas Gebäudereiniger-Handwerk
(1)Die Berufsbildung gliedert sich in:
1. Berufsprofilgebende Fertigkeiten, Kenntnisseund Fähigkeiten sowie
2. Integrativ zu vermittelnde Fertigkeiten, Kenntnisseund Fähigkeiten.
Die Fertigkeiten, Kenntnisseund Fähigkeiten sind in Berufsbildpositionen als Teil des Ausbildungsberufes gebündelt.
(2)Die Berufsbildpositionen der berufsprofilgebenden Fertigkeiten, Kenntnisseund Fähigkeiten sind:
1. Gestalten von kundenorientierten Arbeitsprozessen
2. Planen, Vorbereitenund Organisieren der Durchführung von Arbeitsaufträgen
3. Einrichten, Sichernund Räumen von Arbeitsplätzen
4. Bedienen, Pflegenund Instandhalten von Reinigungsgeräten, -maschinenund -anlagen
5. Verarbeiten von Oberflächenbehandlungsmitteln
6. Durchführen von Reinigungsmaßnahmen
7. Pflegen, Konservierenund Aufbereiten von Oberflächen
8.Durchführen von Maßnahmen zur Hygieneund Dekontamination und
9. Durchführen von qualitätssichernden Maßnahmen sowie Übergeben der Arbeitsergebnisse an Kundenund Kundinnen.
(3)Die Berufsbildpositionen der integrativ zu vermittelnden Fertigkeiten, Kenntnisseund Fähigkeiten sind:
1. Berufsausbildung sowie Arbeits-und Tarifrecht
2. Aufbauund Organisation des Ausbildungsbetriebes
3. Sicherheitund Gesundheitsschutz bei der Arbeit
4. Umweltschutz und
5. Nachhaltigkeit.
Quelle: Gebäudereinigerausbildungsverordnung vom 28. Juni 2019, § 5 Struktur der Berufsausbildung, Ausbildungsberufsbild
Die Praxis zählt jetzt mehr
Auch die Gewichtung Theorie/Praxis hat sich verschoben. Bisher galt eine Gleichgewichtung. Nun zählt die theoretische Prüfung beider Teile 45 Prozent. Der praktische Prüfungsteil fließt mit 55 Prozent in die Gesamtnote ein. Die neue Ausbildungsverordnung unterstützt damit Auszubildende, die gute Praktiker sind, aber gegebenenfalls Schwierigkeiten beim Lernen haben. Hinzu kommt, dass Inhalte, die in der Gesellenprüfung Teil 1 geprüft werden, nicht mehr Bestandteil der Gesellenprüfung Teil 2 sind.Die Lerninhalte sind für die Auszubildenden also überschaubarer.
Ablauf der Prüfungen überarbeitet
Alle Gesellenprüfungsausschüsse in Deutschland waren infolge der neuen Ausbildungsverordnung veranlasst, d en Ablauf ihrer Prüfungen zu überarbeiten und die Vorgaben an die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort anzupassen. Um die Verordnung korrekt auszulegenund sich auszutauschen, hat sich eine bundesweite Arbeitsgruppe gebildet: Vertreter der Prüfungsausschüsse, Innungenund Berufsschullehrer aus fast allen Bundesländern waren an einem Tisch zusammengekommen – ein Gremium,das es so noch nie gegeben hat.Die Formulierungen in der Verordnung sind sehr offen angelegt, so dass die Arbeitsgruppe in enger Abstimmung mit BIVund ZDH Qualitätskriterien erarbeitet hat. Sie bieten den Prüfungsausschüssen einerseits individuellen Handlungsspielraum und andererseits Sicherheit im Umgang mit den Prüfungskriterienund neuen Prüfungselementen wie Fachgesprächund Dokumentation.
Prüfungsteil 1: 30 Prozent
Die Ausbildungsverordnung schreibt für Prüfungsteil 1 eine praktischeund eine schriftliche Prüfung vor. Da eine Gewichtung schriftlich zu praktisch nicht in der Verordnung verankert ist, hat der BIV die Gleichgewichtung empfohlen. Im schriftlichen Prüfungsteil werden die Inhalte der ersten 18 Monate des Rahmenlehrplanes der Berufsschule abgefragt. Im praktischen Prüfungsteil sollen die Auszubildenden zeigen, was sie im Betrieb gelernt haben. Abgeprüft werden:- eine Unterhaltsreinigung an einer Glasoberfläche,
- eine Zwischenreinigungsarbeit an einer textilen Oberfläche und eine
- Zwischenreinigungsarbeit an einer nicht textilen Oberfläche .
Neu: Situatives Fachgespräch
Nach der neuen Ausbildungsverordnung sollen die Prüflinge die Durchführung ihrer Arbeit mit praxisüblichen Unterlagen dokumentieren und vom Prüfungsausschuss in einem zehnminütigen situativen Fachgespräch zu den Arbeitsaufträgen befragt werden.Das war bisher nicht gefordert. Wie genau sehen praxisübliche Unterlagen aus?Die bundesweite Arbeitsgruppe hatte Vorschläge zu Arbeitsscheinen, Schadenserhebungsbögen, Materiallisten oder auch Arbeitsabläufen erarbeitet. Diese Vorschläge können von den Prüfungsausschüssen übernommenund umgesetzt werden. Auchdas Prinzip der vollständigen Handlung – planen, durchführen, kontrollierenund dokumentieren – wurde insbesondere bei den Bewertungskriterien des Arbeitsablaufes berücksichtigt.
Prüfungsteil 2: 70 Prozent
Im schriftlichen Prüfungsteil 2 am Ende der Lehrzeit werden die berufstheroetischen Inhalte der letzten 18 Monate der Ausbildung geprüft. Themen, die schon in Teil 1 der Berufstheorie geprüft wurden, sind in Teil 2 ausgeschlossen. Dadurch, dass die Lerninhalte portioniert sind, haben auch schwächere Auszubildende bessere Chancen, die Prüfung zu bestehen. Der schriftliche Teil der Gesellenprüfung Teil 2 zählt 20 Prozent zum Gesamtergebnis. Zudem wird Wirtschafts-und Sozialkunde schriftlich abgeprüft. Dies fließt mit zehn Prozent in die Gesamtnote ein.
Der praktische Prüfungsteil 2 besteht aus zwei Bereichen. Im ersten Bereich sollen die Auszubildenden zeigen, dass sie in der Lage sind, eine- Grundreinigungund eine
- Außenreinigung
Eigener Prüfungsteil: Hygienemaẞnahmen
Im zweiten praktische Prüfungsbereich in Teil 2 ist die Durchführung von Hygienemaßnahmen gefordert. Dieser Arbeitsauftrag kann ebenfalls sehr weit ausgelegt werden. Von der Reinigung eines kompletten Krankenzimmers oder nur einer Sanitäreinheit bis zur Desinfektion von Mobiliar in einer Pflegeeinrichtung ist alles möglich. Der Arbeitsauftrag soll mit praxisüblichen Unterlagen dokumentiert werden, ein Fachgespräch ist aber nicht gefordert. Dieser Prüfungsbereich wird nun mit 15 Prozent gewertet.
Viele Einzelnoten ergeben die Gesamtnote
Zur Erleichterung der komplexen Berechnung der Gesamtnote aus den vielen Einzelnoten hat die Landesinnung Südbayern ein Excel-Tool entwickelt,das allen Prüfungsausschüssen zur Verfügung steht.Die bundesweite Arbeitsgruppe hat außerdem eine Liste mit Möglichkeiten erstellt, welche Reinigungsverfahren sich für die Arbeitsaufträge in Teil 1und Teil 2 eignen. Auch zur Gewichtung der einzelnen Bewertungskriterien wurde ein Vorschlag erarbeitet. Damit wurden Qualitätsstandards für die Prüfung entwickelt, die bundesweit umgesetzt werden könnenund garantieren, dass die Gebäudereinigerausbildungsverordnung flächendeckend vergleichbarund rechtskonform umgesetzt werden kann.
Die Anforderungen fürdas Bestehen der Prüfung sind in der neuen Ausbildungsverordnung in §17 beschrieben: Das Gesamtergebnis von Teil 1und Teil 2muss mindestens ausreichend sein. Das Ergebnis von Teil 2 muss mindestens ausreichend seinund kein Teilergebnis von Teil 2 darf mit ungenügend bewertet sein. Mindestens drei Teilergebnisse von Teil 2 müssen zudem mit ausreichend bewertet sein. Auf Antrag des Prüflings kann eine mündliche Ergänzungsprüfung zum Bestehen durchgeführt werden. Sie wird im Verhältnis 2:1 bewertet.
Mit diesen Leitplanken war es nun Aufgabe der vielen Prüfungsausschüsse in Deutschland, neue Prüfungsbögen zu erstellen, gegebenenfalls neue Maschinen zu besorgen, Prüfungsobjekte zu findenund die einzelnen Prüfer zu schulen. Das Engagement zeigt, dass die Ausbildung für die Branche ein zentrales Thema ist.
Claudia Liersch | heike.holland@holzmann-medien.de
Claudia Liersch
Claudia Liersch ist Lehrerin an der Gewerblichen Schule Metzingen. Sie unterrichtet seit vielen Jahren Gebäudereiniger-Auszubildendeund Meisterschüler.
Was sagen an den Prüfungen beteiligte Gebäudedienstleister zur neuen Ausbildungsverordnung? Wie fällt die Bilanz nach dem ersten Prüfungsdurchgang aus? rationell reinigen hat nachgefragt.
Patrik Richter: Alle Beteiligten sind in der Verantwortung

Patrik Richter, Geschäftsführer, Richter Dienstleistungen, Reutlingen,und Vorsitzender des Gesellenprüfungsausschusses, HWK Reutlingen: " Die Gestaltung der ersten praktischen Prüfungen nach der neuen Ausbildungsverordnung war bei uns allein schon wegen der Menge an Prüflingen eine Herausforderung. Knapp 90 Auszubildende waren zur Prüfung angetreten – sowohl nach der alten als auch nach der neuen Ausbildungsverordnung. Für rund 30 Auszubildende galten die neuen Vorgaben. Für alle Beteiligten war es eine neue Situation. Wir als Prüfer musstenund müssen uns neu einstellen. Aber auch Ausbilderund Betriebe sowie Auszubildende müssen sich neu justieren. Alles in allem sind die ersten Prüfungen sehr gut verlaufen.
Im Vorfeld mussten die theoretischen Vorgaben der neuen Verordnung praktisch umgesetztund in Bezug auf die Prüfung immer wieder auf ihre Machbarkeit hin überprüft werden. Neu ist, dass jetzt der Prozess im Mittelpunkt steht.Die Ausbildung ist damit realitätsnäher geworden. Esmuss aber auch entsprechend ausgebildet werden. In der Annäherung der Interessen von Auszubildendenund Betrieben sehe ich einen wesentlichen Nutzen der neuen Verordnung. Ein weiterer Vorteil:Das Praktische hat eine höhere Gewichtung bekommen.
Im Rahmen meiner Tätigkeit im Gesellenprüfungsausschuss hatte ich in den vergangenen zehn Jahren mit mehr als tausend Prüflingen zu tun. Deren Leistungen waren leider nicht immer so, wie es wünschenswert gewesen wäre. Wir haben gute Ausbildungsbetriebe, wir haben aber auch andere. Ich bin jedoch guter Dinge, dass mit der neuen Verordnung auch die Qualität der Ausbildung steigen wird. Denn sie ist nun stärker an die Belange des betrieblichen Alltags angepasst. Es geht nicht mehr so stark um einzelne Fertigkeiten, sondern ums große Ganze.Das ist positivund kommt auch den Interessen der Betriebe entgegen. Es darf aber nicht dazu führen, dass die einzelnen Fertigkeiten nicht mehr in ausreichendem Maß vermittelt werden. Dann würde Know-how in unserem Handwerk verloren gehen.
Mein Fazit: Ich begrüße die neue Ausbildungsverordnung im Gebäudereiniger-Handwerk, es war an der Zeit. Siemuss aber auch entsprechend umgesetzt werden. Dabei sehe ich alle an der Ausbildung Beteiligten in der Verantwortung."
Lutz Becker: An die Bedürfnisse des Berufsalltags angepasst

Lutz Becker, Inhaber, Becker Dienstleistungen, Driedorf,und Vorsitzender des Gesellenprüfungsausschusses der Landesinnung Hessen: "In diesem Sommer fand im Gebiet der Landesinnung Hessen zum ersten Mal Teil 1 der neuen gestreckten Gesellenprüfungsverordnung im Gebäudereiniger-Handwerk statt.Die erste wichtige Änderung der neuen Verordnung sieht vor, dass die Gesellenprüfung in zwei Teile gegliedert wurde.Die so genannte Zwischenprüfung aus der alten Verordnung wird nun Teil 1 genanntund fließt zu 30 Prozent in die Gesamtbewertung mit ein. Darin liegt aus meiner Sicht ein großer Vorteil der neuen Verordnung, da sich die Endnote nicht ausschließlich aus einer Abschlussprüfung ergibt, sondern man bereits im ersten Teil eine gute Basis legen kann.
Auch der Ablauf des praktischen Prüfungsteils hat sich meines Erachtens deutlich an die Bedürfnisse des Berufsalltags angepasst, so dass alle erforderlichen Arbeitsschritte vollumfänglich abgedeckt werden. Hier wird beispielsweise nicht mehr lediglich eine Glasreinigung geprüft, sondern der gesamte Arbeitsablauf über die Planung im Vorfeld, die Materialzusammensetzung, die Beschreibung der Auftragsdurchführung einschließlich Unfallverhütungsmaßnahmen,das Erstellen einer Vorschadenliste sowie ein Fachgespräch unddas Ausfüllen des Arbeitsscheins nach der Arbeit.
Diese Änderung war unseren Prüflingen zunächst neu, sie wurde aber alles in allem gut umgesetzt. Auf diese ganzheitliche Betrachtung gilt es für die Zukunft ein größeres Augenmerk zu legen.
Bei der schriftlichen Prüfung in Teil 1, die laut Ausbildungsrahmenlehrplan nur die Lernfelder eins bis sechs betrifft, sollen rund 20 Fragen (einschließlich Rechenaufgaben) beantwortet werden. Auch hier sehe ich eine positive Entwicklung, da die Aufgaben praxisorientierter ausgelegt sind (planen, begründen, entscheiden).
Teil 1 der neuen gestreckten Gesellenprüfung entwickelt sich meiner Meinung nach in die absolut richtige Richtung,Die starke Orientierung in Richtung Praxisund täglicher Anwendung ist für die Gesellenund ihre Arbeit in den Betrieben eine perfekte Basis."
Siegfried Ruhkamp: Ein Gewinn für die Ausbildung

Siegfried Ruhkamp, Betriebsleiter, Niederberger, Köln, Lehrlingswart der Innung Köln-Aachenund Landeslehrlingswart NRW: " Die ersten Prüfungen nach der neuen Ausbildungsverordnung (Teil 1 beziehungsweise Teil 2 für die Verkürzer) sind aus meiner Sicht in Nordrhein-Westfalen richtig gut verlaufen. Wir haben im Vorfeld in einem kleinen Arbeitskreis (Innung Köln/Aachen) eine Schulungsunterlage für Prüfer erarbeitet, die den Beteiligten die Umsetzung der neuen Prüfung deutlich erleichtert hat. Diese Unterlage wurde erst NRW-weitund danach sogar bundesweit an die einzelnen Prüfungsausschüsse verteilt.
Natürlich hat es für Auszubildendeund auch Prüfer einige Herausforderungen gegeben. Denn zum Beispiel die Themen Vorplanung, Dokumentationund Eigenbewertung einschließlich Fachgespräch waren ja für alle neu. Hier hat man sich an der einen oder anderen Stelle etwas schwergetan. Ich bin aber davon überzeugt, dass sichdas relativ schnell einpendeln wird. Insbesondere für den Bereich Vorplanung, Dokumentationund Bewertung hat sich die Schulungsunterlage für Prüfer als wertvoll erwiesen. Und in den Berufsschulen wird sicherlich weiterhin der Fokus auf diesen Bereich gelegt werden.
Durch die neue Verordnungund die gestreckte Gesellenprüfung bekommt die Ausbildung zum Gebäudereiniger von Anfang an eine bessere Qualität. So war zum Beispiel die alte Zwischenprüfung zum Muster ohne Wert verkommen, weildas Ergebnis überhaupt keine Auswirkungen auf die weitere Ausbildung oderdas Ergebnis der Gesellenprüfung hatte.Das ist jetzt anders:Das Ergebnis von Teil 1 der Gesellenprüfung wirkt erheblich aufdas Ergebnis der Abschlussprüfung (Teil 2 der Gesellenprüfung) ein. Wegen der neuen Anforderungen – von der selbstständigen Auswahl des geeigneten Prüfungsmaterials über die Planung der Durchführung der Arbeitsaufgabe bis zur Dokumentation – ist auch der Aufwand für die Prüfungsvorbereitung für Auszubildendeund Betriebe größer geworden.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass jetzt ganzheitliche Arbeitsaufträge abgeprüft werden – bislang waren es lediglich einzelne Kenntnisseund Fertigkeiten –, sind Anspruchund Niveau der neuen Prüfungen deutlich gestiegen. Alles in allem sehe ich die neue Ausbildungsverordnung als Gewinn für die Ausbildung in unserem Handwerk."