Jahresurlaub: Abgeltung oder Verfall? Europäischer Gerichtshof schlägt zurück

Nicht genommener Urlaub – ein immer wiederkehrendes Thema, zu dem die unterschiedlichsten Sichtweisen kursieren. Nun hat sich der Europäische Gerichtshof mit neuen Urteilen zu Wort gemeldet.Das Problem kennen viele: Das deutsche Urlaubsrecht geht von dem Grundsatz aus, dass am 31.12. des Urlaubsjahres der gesamte Jahresurlaub verfällt. Aus betrieblichen oder persönlichen Gründen kann eine Übertragung zum 31.03. des Folgejahres stattfinden. Wird überhaupt kein Urlaub vom Arbeitnehmer genommen, kann sich der Unternehmer nur dann schadensersatzpflichtig machen, wenn er zum Zeitpunkt des Unterganges des originären Unterhaltsanspruchs mit der Urlaubsgewährung in Verzug war. Das Untergehen des Urlaubsanspruchs war die Regel, die Übertragung zum 31.03. oder gar ein Schadensersatzanspruch in Höhe des verlorengegangenen Urlaubsanspruchs waren die Ausnahmen. Gruß aus Europa: Für den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft anzusehen, von dem der deutsche Gesetzgeber und das BAG nicht abweichen dürfen. Einige Landesarbeitsgerichte urteilten, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dem Gesundheitsschutz des Beschäftigten diene. Der Arbeitgeber sei demzufolge nicht verpflichtet, den Anspruch auf gesetzlichen Jahresurlaub auch ohne Urlaubsantrag des Arbeitnehmers in irgendeiner Art und Weise zu erfüllen. Neues zum Urlaubsrecht: Beantragt der Arbeitnehmer keinen Urlaub, so der EuGH, kann nicht automatisch der Verlust dieses Anspruchs und damit auch der Verlust der finanziellen Vergütung eintreten. War der Arbeitnehmer nicht in der Lage, seinen Urlaub zu nehmen, könne dieser Anspruch nach Ablauf des Bezugszeitraums beziehungsweise Übertragungszeitraums nicht erlöschen und wandelt sich in einen Schadensersatzanspruch in Form von Geld um. Verzichtet jedoch der Arbeitnehmer aus freien Stücken auf seinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, obwohl er diesen hätte nehmen können, biete auch die EU-Richtlinie keinen Vergütungsanspruch. Damit verpflichtet der EuGH den Arbeitgeber, geeignete und konkretere organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um den Jahresurlaub zu ermöglichen. Das heißt, der Arbeitgeber hat die Pflicht, den Arbeitnehmer über den Verfall des Urlaubs sowie der Urlaubsabgeltungsansprüche rechtzeitig zu informieren. Fazit: Zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen und der Verpflichtung einer Urlaubsabgeltung ist nunmehr jedem Arbeitgeber zu empfehlen, rechtzeitig im laufenden Jahr und sodann für das auslaufende Jahr alle Arbeitnehmer über den normalen Verfall des Urlaubsanspruchs am 31.12. und über den Übertragungsfall zum 31.03. hinreichend zu belehren. Ob ein Satz in der Gehaltsabrechnung, Hinweise allgemein im Betrieb zur Urlaubsnahme und des Urlaubsverfalls oder bei der Urlaubsgenehmigung erfolge, hat die Rechtsprechung im Jahr 2019 noch auszuurteilen. Noch eine Frage: Was passiert mit dem Urlaubsanspruch bei Tod des Arbeitnehmers? Dazu der EuGH neu: Der Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub geht auf die Erben des verstorbenen Arbeitnehmers über. Die Bilanzierung von offenstehenden Urlaubsansprüchen in das nächste Jahr hin ist kein Roulette mehr, sondern Verpflichtung. (EuGH-Urteil vom 06.11.2018, Az.: C-684/16.)