Ergonomie: Damit Mitarbeiter gesund und leistungsfähig bleiben

Wenn Mitarbeiter ausfallen, ist dies bei der angespannten Personalsituation in der ­Gebäudereinigung häufig eine große Herausforderung: Krankheitsbedingte Fehlzeiten verursachen nicht nur Kosten, sondern erschweren auch die Personaleinsatzplanung. Umso wichtiger ist es, dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten gesund bleiben. Denn: Prävention lohnt sich und ist günstiger als Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Ein Rucksacksystem kann die Belastungen des Hand-Arm-Schulterbereiches bei der Arbeit mit wasserführenden Teleskopstangen reduzieren. Die Stange wird an den Balancer des Auslegers gehängt, sodass ein großer Teil des Gewichtes über den Hüftgurt abgeleitet wird. - © H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH/BG BAU.

Reinigungskräfte sind bekanntlich ­hohen Belastungen ausgesetzt und haben entsprechend hohe Krankenstände. An ­erster Stelle stehen häufig Muskel-Skelett-­Erkrankungen – Beein­trächtigungen oder Schädigungen von Körperstrukturen wie Muskeln, Gelenken, Nerven und Knochen, hauptsächlich im Bereich des Rückens oder Nackens, der Schultern sowie der oberen und unteren Gliedmaßen. Dies ist eine Folge von­ ­anhaltenden wiederholten Belastungen mit hoher Intensität.

Belastende Tätigkeiten

Bereits im Jahr 2009 erschien die Studie "Arbeits­sicherheit und Gesundheitsschutz bei Reinigungskräften" ("The Occu­pational Safety and Health of Cleaning Workers") der europäischen Agentur für Sicherheits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (OSH). Ein Kapitel der Studie beschäftigt sich mit der ­Gesundheit beziehungsweise Krankheiten von Reinigungskräften. Als mögliche ­Ursachen für Muskel-Skelett-Erkrankungen werden zum Beispiel typische Reinigungstätig­keiten aufgeführt. Dazu gehören:

  • Die manuelle Fußbodenreinigung. Große, weiträumige Bewegungen, um ­alle Ecken mit einer einzigen Bewegung zu erreichen, stressen die Schultern und können Beschwerden im Schulter-Arm-Bereich verursachen.
  • Das Reinigen waagerechter Flächen. Mit einem Reinigungstuch in der Hand muss die Reinigungskraft sich weit vorbeugen und verdreht sich in der Regel. Zudem muss die Wirbelsäule sozusagen frei über dem Tisch getragen beziehungsweise gehalten werden (Haltearbeit).
  • Das schwere Heben und Tragen aller Arbeitsmittel. Dazu gehören auch Eimer mit schwappendem Wasser, wenn sie keine Rollen haben.
  • Repetitive Bewegungen, sich wiederholende Arbeitsabläufe.
  • Häufige Drehbewegungen des Rumpfes, zum Beispiel bei der Fußbodenreinigung, um von dem Ort aus, an dem man steht, alles erreichen zu können.

Ins Gewicht fällt aber auch eine unzureichende ergonomische Gestaltung der verwendeten Reinigungsgeräte und -maschinen. Das heißt in diesem Zusammenhang: eine ungenügende Anpassung der Arbeitsmittel an den arbeitenden Menschen.

Ergonomie kann helfen

Ergonomie ist die Wissenschaft von der mensch­lichen Arbeit. Der Begriff setzt sich aus den griechischen Wörtern ­Ergon (Arbeit) und Nomos (Gesetz, Regel) ­zusammen. Man versteht darunter die Anpassung der Arbeitsbedingungen an den Menschen – und nicht die Anpassung des Menschen an die Arbeitsbedingungen. Wie kann Ergonomie bei Reinigungsarbeiten nun helfen, Belastungen zu reduzieren? Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Technik und Verhaltensänderung.

Das eigene Verhalten ändern

Das Verhalten kann durch Schulungen – wie zum Beispiel mit dem prämierten Schulungskonzept "Körpergerechtes ­Arbeiten: Bewusst bewegen in der Gebäude­reinigung" von Prof. em. Elke Huth – verändert werden. Ziel solcher Schulungen ist das körpergerechte Arbeiten, um Belastung für den Menschen zu minimieren. Der Körper ist für Anstrengungen zwar gebaut, sie müssen aber körpergerecht ausgeführt werden.

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    Bei der manuellen Bodenreinigung ist ein Teleskopstiel mit der richtigen Länge wichtig. Richtig eingestellt reicht der Stiel etwa bis zum Kehlkopf des Benutzers.
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    Teleskop­stiele mit drehbaren Bauteilen am Knauf erleichtern es der Reinigungskraft, den Stiel auf die richtige Länge einzustellen.
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    Häufiges Bücken ist für den Rücken belastend und sollte vermieden werden ...
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    ... – zum Beispiel, indem statt herkömmlicher Kehrbleche Varianten mit langem Stiel benutzt werden.
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    Auch häufige Drehbewegungen des Rumpfes sind ungünstig. Bei der Reinigung von waagerechten Flächen sollte man deshalb abschnittsweise vorgehen und die Arbeitsposition immer wieder verändern. Hilfreich ist es auch, sich mit einer Hand abzustützen, um die Muskulatur des Rückens zu entlasten.

Unterstützung durch Technik

Hinzu kommt die richtige Wahl der ­Arbeitsmittel. Hilfe­stellung dabei gibt auch die BG BAU. Auf ihrer Internetseite stellt die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft ausgewählte Geräte vor, mit denen sich Belastungen bei Reinigungstätigkeiten reduzieren lassen. Früher gab es zum Beispiel bei der Bodenreinigung nur 1,40 m lange Standardstiele, die ­dazu auch noch schwer und nicht mit einem in alle Richtungen drehbaren Mopp­halter ausgestattet waren. Mittlerweile sind auch höhenverstellbare Teleskop­stiele mit drehbaren Bauteilen (Knauf, Übergang zum Mopphalter) erhältlich. Sie bieten die Möglichkeit, den Stiel an die Größe des Benutzers anzupassen. Ein weiteres Beispiel sind Rucksacksysteme für Stangen­systeme bei der Glas- und Fassadenreinigung. Bei der Arbeit mit wasserführenden Teleskopstangen ohne Unterstützung wird das Stangengewicht inklusive Osmose­wasser ausschließlich vom Glasreiniger gehalten und balanciert. Bei ergono­mischen Systemen wird der Ausleger in einen sogenannten Balancer eingehängt. Diese Vorrichtung unterstützt den Benutzer beim Halten der Stange. Es gibt viele weitere Möglichkeiten, Belastungen bei Reinigungstätigkeiten zu reduzieren – zu finden auf www.bgbau.de/service/angebote/ergonomische-loesungen. „Vielleicht kommen für Reinigungsunternehmen auch eine Kleinstarbeitsbühne oder eine Stufen-­Glasreinigerleiter und Tritte infrage. Ein Blick auf Leiterliftsysteme für das Autodach oder Plattformleitern könnte sich auch lohnen“, sagt Andrea Hauck, bei der ­BG BAU zuständig für Ergonomie im Bau- und Reinigungsgewerbe.

Mit Förderung von der BG BAU

Investitionen in ausgewählte Geräte, die die Arbeit in ergonomischer Hinsicht ­erleichtern, werden von der BG BAU auch finanziell unterstützt. Gerade ist der Arbeitsschutzprämienkatalog 2023 erschienen, online abrufbar auf www.bgbau.de/praemien-katalog. Vor Aufnahme in den Arbeitsschutzprämienkatalog werden die Arbeitsmittel von der BG BAU beurteilt. Dabei steht die Sicherheit im Vordergrund. Außerdem geht es um Benutzerfreundlichkeit und körpergerechte Arbeitsbewegungen. "Wir stellen Fragen wie: Erledigt das Gerät seine Aufgabe kräftesparend?", berichtet Andrea Hauck. Dabei spielen Faktoren wie das Eigengewicht, das eventuell zu hebende Gewicht, Treppen oder Be- und Entladung eine Rolle. Zudem wird die Gestaltung der Griffe begutachtet und die Leichtigkeit der Bedienbarkeit der Stellteile überprüft. Ein weiterer wich­tiger Punkt ist die Frage, ob ein Gerät von großen ebenso wie von kleinen Menschen bedient werden kann. Bleiben der Körper und die Gelenke bei der Benutzung in den von der Natur für sie vorgesehenen ­Arbeitsbereichen?

Die Kombination macht‘s

Grundsätzlich gilt: Reinigungskräfte sollten in den Einsatz von Arbeitsmitteln ­immer unterwiesen werden, um fehler­hafte und nicht körpergerechte Arbeitsweisen beziehungsweise eine fehlerhafte Bedienung zu vermeiden. Ergonomie lohnt sich, insbesondere die Kombination aus Technik und Verhalten. Denn dadurch können Reinigungsarbeiten körpergerechter durchgeführt werden, Belastungen werden minimiert.

Körpergerecht ist körpernah

Bei der manuellen Fußbodenreinigung zum Beispiel ist ein Teleskopstiel mit der richtigen Stiellänge wichtig. Sie ist abhängig von der Größe der Benutzer, richtig eingestellt reicht der Stiel etwa bis zum Kehlkopf der Reinigungskraft. Grundsätzlich gilt: Körpergerechtes Arbeiten ist körpernahes Arbeiten. Wer mit zu langem Stiel arbeitet, muss mehr Kraft aufwenden, um Wischbewegungen durchzuführen. Ist der Stiel zu lang, ist man gezwungen, körperfern zu arbeiten und sich damit weit nach vorne zu beugen – was einem ungesunden und anstrengenden Arbeitsablauf entspricht.

Bücken möglichst vermeiden

Hilfreich ist es auch, häufiges Bücken zu vermeiden. Statt sich zu bücken, um den vom Halter gelösten Wischbezug vom ­Boden aufzuheben, ist es besser, den Mopphalter direkt über den Sack mit den zu waschenden Bezügen zu halten und die Haltevorrichtung mit der Hand zu lösen. Beim Einsatz von Flachpressen wird der Mopphalter mit dem Bezug in die Flachpresse gelegt und ausgedrückt. Oder man arbeitet mit präparierten Wischbezügen, die direkt aus der Box entnommen werden. Bücken kann man auch vermeiden, indem man zum Beispiel statt herkömmlicher Kehrbleche solche mit langem Stiel nimmt. Wenn man sich bücken muss, sollte man sich immer abstützen, so entlastet man die Muskulatur.

Den Rumpf nicht verdrehen

Sämtliche Reinigungstätigkeiten sollten ohne häufige Drehbewegungen des Rumpfes durchgeführt werden. Dies ist sehr wichtig auch bei der Reinigung von waage­rechten Flächen wie bei Tischen. ­Dabei sollte aus einer Arbeitsposition heraus nur der Bereich gereinigt werden, bei dem man den Rumpf nicht verdrehen muss. Um ­einen weiteren Bereich des Tisches zu reinigen, werden die Beine benutzt, um den Arbeitsbereich zu ändern. Zudem ­sollte man sich mit einer Hand abstützen, um die Muskulatur des Rückens zu entlasten.

Peter Strauch | heike.holland@holzmann-medien.de

Peter Strauch - © PS Fachberatung

Peter Strauch ist Geschäftsführer der PS Fachberatung ­Gebäudereinigung in Hamburg. Der Arbeitssystemgestalter nach REFA optimiert ­Arbeitsabläufe in ergonomischer Hinsicht und bietet Schulungen zum Thema körpergerechtes Arbeiten an.