Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ Ein Witz im Lichte des EuGH

Arbeitet der Mitarbeiter nicht, muss der Unternehmer keinen Lohn zahlen. So weit, so gut. Dieser Grundsatz löst sich demnächst in Luft auf. Denn nicht nur das BAG (Bundesarbeitsgericht), sondern auch die Landesarbeitsgerichte (LAG) höhlen den Grundsatz völlig aus.Zum Hintergrund: Pressewirksam urteilte der EuGH am 14. Mai 2019 im Lichte der europäischen Arbeitszeitrichtlinie: Alle Unternehmen sind verpflichtet, eine umfassende Arbeitszeitdokumentation zu führen. Heißt, die Mitgliedsstaaten wurden verpflichtet, ihr Arbeitszeitrecht anzupassen – der deutsche Gesetzgeber ist gefordert. Für die Unternehmen bedeutet dies erst einmal gar nichts. Die Vertrauensarbeitszeit gibt es immer noch. Landesarbeitsgericht Köln vom 16. Mai 2019: Landesarbeitsgerichte (LAGs) sind Haifischbecken, gerne bereit, dem BAG eins auszuwischen und groß rauszukommen. Wer muss eigentlich beweisen, was Mitarbeiter tatsächlich gearbeitet haben? Der Mitarbeiter als Kläger trägt vor, gearbeitet zu haben, nicht jedoch, zu welcher Uhrzeit, an welchem Ort, bei welchem Kunden. Der Unternehmer als Beklagter erklärt, keine Arbeitsleistung erhalten zu haben und diese negative Tatsache auch schwerlich beweisen zu können. Recht erhält nie, der Gerechtigkeit begehrt. Das LAG Köln zitierte zwar den 5. Senat des BAG, wenn auch falsch, und stellt klar: Wenn ein Mitarbeiter vorträgt, im Rahmen einer Entgeltklage für sein verstetigtes Bruttomonatseinkommen gearbeitet zu haben, liege die gesamte Beweislast beim Unternehmer. Dies gilt nur nicht für Aushilfskräfte, Tagelöhner und stundenweise bezahlte Arbeitnehmer. Für Angestellte mit Monatslohn reichen pauschale Behauptungen aus. Der Fall: Ein im Monatslohn stehender Außendienstmitarbeiter ohne festes Büro im Unternehmen klagte seinen Monatslohn ein, obschon er zum Ende des Monats gekündigt wurde und der Unternehmer von seinem Mitarbeiter in dieser Zeit nichts mehr gehört hatte. Auf den Sachvortrag, der Mitarbeiter sei weisungswidrig in der Firma nicht erschienen, habe auch keinerlei Kontakte zu Kunden vorzuweisen oder sich in Urlaub oder Krankheit befunden, erwiderte der Mitarbeiter lediglich, seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß erbracht zu haben. Laut LAG Köln gab es trotzdem Lohn, da der Arbeitgeber im Lichte einer Vertrauensarbeit genau vortragen und beweisen muss, wann der Kläger genau und konkret nicht gearbeitet hat. Denn nicht etwa der Sachvortrag des Klägers, sondern der Vortrag des Beklagten sei unvollständig und nicht ausreichend. Früher war alles besser: Die Schlussfolgerungen aus den alten BAG-Urteilen gingen zu Lasten der Arbeitnehmer. Nicht nur gewerbliche, sondern auch angestellte Arbeitnehmer mussten vor Gericht vortragen, um wieviel Uhr genau sie welche Arbeiten bei welchem Kunden vollbracht haben wollen. Erst dann sprang die Beweislast auf den Unternehmer über. Damit ist wohl Schluss. Fazit: Gerade in Kündigungsfällen sollten an Angestellte konkrete Arbeitsanweisungen erfolgen, die tatsächlich geleistete Arbeit muss überprüft werden und eine Dokumentation des Sachverhaltes „ohne Arbeit kein Lohn“ durch den Unternehmer stattfinden. Unternehmerpflicht im Arbeitsrecht auch hier: vollständig, überprüfbar, konkret. Arbeitnehmerpflicht: widersprüchlich, unerheblich, Behauptungen ohne Inhalt. Das Warten auf eine Neufassung des Arbeitszeitgesetzes durch die politischen Parteien wird dadurch nicht süßer. Jens Köhler, Fachanwalt für Arbeitsrecht, info@KanzleiKoehler.de