Sechs Monate Ausland. Oder achtzehn? Handwerk und fremde Kultur erleben. Mit neuen Arbeitsmethoden, anderen Kollegen. Das bieten Samuel Wurster und sein Team des Berliner Start-ups journeyman.io. Sie helfen jungen Handwerkern auf dem Weg zu ihren Traumdestinationen.
Die verstaubten Fremdsprachenkenntnisse auffrischen. Den Horizont erweitern. Internationale Kontakte knüpfen und Inspiration für den weiteren Lebensweg finden: Die Vorteile eines Auslandsaufenthalts liegen klar auf der Hand. Für viele ist eine Zeit im Ausland deshalb fast schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Zumindest gilt das für Studenten.
Für Handwerker sieht die Sache oft ganz anders aus. Dass sich Auslandsaufenthalte häufig auf Akademiker beschränken, hat auch Samuel Wurster, Gründer und CEO von journeyman.io erkannt: „Ich habe mit einigen Handwerkern in ihren 20ern gesprochen. Viele von ihnen waren frustriert davon, Studenten auf Facebook zu sehen, die im Ausland leben. Sie wollten das gerne selber machen.“ Wurster erkannte, dass der weltweite Fachkräftemangel diesen Traum sogar ermöglichen könnte: „Hier kam mir das erste Mal die Idee: Man könnte doch eigentlich coole Auslandsaufenthalte mit einem Vermittlungsgedanken verbinden. Ich wollte für junge Handwerker ein tolles Erlebnis schaffen, indem sie sechs bis 18 Monate reisen und dabei in ihrem Beruf arbeiten können.“
Gleichzeitig schafft er für Unternehmer die Möglichkeit, ganz flexibel auf gut ausgebildete Fachkräfte zuzugreifen. Obwohl das Start-up erst im November letzten Jahres gegründet wurde, freut sich Wurster bereits über eine starke Nachfrage. Die ersten Handwerker bereisen schon die Welt.
Als Schreiner nach Hawaii
Sonne, Strand und viel Wasser – der Schreiner Frank Lang (26) dürfte derzeit einen der schönsten Arbeitsplätze haben. Er arbeitet für ein Jahr dort, wo andere Urlaub machen: auf Hawaii. „Der Lifestyle hier auf Hawaii ist so unglaublich cool. Cap auf, Badeshorts an und ab zum Strand. Oder auf zu einem Rainbow-Waterfall: Decken in den Van, eine Kühlbox mit Getränken, Hände aus dem Fenster. Nice“, fasst er zusammen.
Auf die Idee gekommen, mit journeyman.io ins Ausland zu gehen, ist der gebürtige Bayer durch einen Freund, der ihm einen Link zur Website schickte: „Hey, du alter Weltenbummler! Wäre das nichts für dich?“ Er habe dann mehr aus Spaß seine Unterlagen hingeschickt und einen Platz auf Hawaii erhalten: „Ich wäre aber auch nach Australien gegangen, wenn mich hier niemand genommen hätte“, scherzt er. Langs Aufenthalt gefällt ihm gut: „Ich bin mit der Bezahlung in meinem Betrieb zufrieden und arbeite reguläre 40 Stunden die Woche. Spannend ist, dass hier mit ganz anderen Holzarten gearbeitet wird.“
Auch die Zusammenarbeit mit journeyman.io würde gut funktionieren und das Team sei engagiert: „Das macht Mut, den Schritt wirklich zu wagen.“ Bei der Frage, was ihm an Hawaii besonders gefällt, ist der Schreiner sich sicher: „Das Klima. Es sind konstante 23 bis 25 Grad. Und die Natur und das Meer sind unglaublich. Man kann nach der Arbeit einfach so zum Strand fahren und relaxen. Und die Früchte! Die Ananas, Bananen und Kokosnüsse sind der Wahnsinn hier.“ Er betont, dass er den Schritt sofort wieder wagen und auch weiterempfehlen würde: „Diese Welt ist doch wunderschön. Also seht sie euch an!“
Oder als Anlagenmechaniker nach Minnesota
Auch dem SHK-Anlagenmechaniker Simon Keller (24) gefällt sein Aufenthalt im Ausland. Der Handwerker aus Essen ist durch journeyman.io in Mankato, einer Studentenstadt im Süden von Minnesota, gelandet. Dort wohnt er mit ein paar College-Studenten in einer Wohngemeinschaft. In dem fremden Land fühlt sich der Handwerker rundum wohl: „Mir war schon zu Schulzeiten bewusst, dass ich auch einmal im Ausland leben möchte. Nach meinem Meisterabschluss hatte ich dann ein bisschen Luft und habe mich deshalb auf die Stelle hier beworben.“
Mit der Arbeit bei der „Minnetonka Plumbing Inc.“ ist er sehr zufrieden: „Das Arbeiten im Ausland ist aufregend. Man wird auf allen Ebenen gefordert.“ Und das obwohl Keller sich wegen der englischen Terminologie die ersten Wochen wie ein Auszubildender fühlte: „Als ich an meinem ersten Tag eine Metallschiene mit den Maßen 6 feet 5 inches and 5/8 sägen sollte, habe ich erstmal nur gestaunt. Mit dem metrischen System lässt sich hier wirklich nichts anfangen.“
Am besten gefalle ihm aber die atemberaubende Natur in Minnesota, dem sogenannten „Land der zehntausend Seen“. „Man findet hier immer wieder abgelegene und wunderschöne Orte, an denen man sich wirklich mit der Natur verbunden fühlt“, erklärt der junge Handwerker. Auch er würde den Schritt ins Ausland noch einmal wagen, allerdings unter einer Bedingung: „Wegen der Eingewöhnungszeit sollte man mehr als sechs Monate einplanen. Ansonsten ist die Zeit eine unglaubliche Erfahrung, die mich mein Leben lang begleiten wird.“
Das einzige Problem, mit dem sich beide Handwerker gleichermaßen konfrontiert sehen, ist die amerikanische Esskultur. Für Keller war es ungewohnt, im Supermarkt regelrecht nach gesunden Nahrungsmitteln suchen zu müssen. Und auch der Schreiner Frank Lang betont: „Mit der fremden Kultur komme ich gut zurecht. Ich habe nur ein Problem: Ich kann hier kein vernünftiges Brot finden. Ein deutsches, frisches Bauernbrot mit Gewürzen und herzhaftem Biss braucht es hier. Wirklich.“
Das Konzept „journeyman.io“
Neben den Standorten auf Hawaii und in Minnesota vermittelt journeyman.io auch nach Sydney, Australien, und bald nach Toronto, Kanada, sowie nach Neuseeland. „Bei den Zielen achten wir darauf, dass sie im englischsprachigen Ausland liegen, weil die meisten jungen Fachkräfte ein bisschen Englisch können“, so Wurster.
Die meisten Anfragen kommen über soziale Medien wie Facebook: „Das funktioniert ganz gut. Die Leute finden das cool und sie interessiert das. Also registrieren sie sich bei uns und wir suchen dann gemeinsam nach einem passenden Projekt.“ Bei der Vermittlung achten Wurster und sein Team darauf, dass Arbeitsbedingungen und Bezahlung für ihre Austausch-Handwerker angemessen sind. Er betont deshalb: „Es geht nicht um Work and Travel, als Billiglöhner in Australien Erdbeeren zu pflücken. Es geht darum, dass wir diese Möglichkeit für gelernte Fachkräfte schaffen.“
Der ideale Kandidat für das Programm von journeyman.io sei ein Handwerker, der fest im Beruf stehe, aber einfach noch mal den Drang habe, ins Ausland zu gehen: „Die meisten kehren danach zu ihrem alten Arbeitgeber zurück. So profitiert auch dieser von der Erfahrung.“
Tanja Bürgle | monika.lattner@holzmann-medien.de