Arbeitsunfälle: Pandemie bisher gut gemeistert

Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) hat Zahlen zur Entwicklung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten im Corona-Jahr 2020 vorgelegt. Demnach gab es ­weniger Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft und im Bereich baunaher Dienstleistungen als 2019. Die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle ist jedoch deutlich gestiegen.

Eine Ansteckung mit dem Corona-Virus kann von der BG BAU als Berufskrankheit und in begründeten Einzelfällen auch als Arbeitsunfall anerkannt werden. - © Wolfgang Bellwinkel – DGUV

Insgesamt sank die Anzahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft und bei den baunahen Dienstleistungen von 106.774 im Jahr 2019 auf 103.970 im Jahr 2020. Das ist ein Rückgang um rund 2,6 Prozent. Auch die meldepflichtigen Wegeunfälle gingen zurück. Sie lagen mit 7.723 Unfällen knapp zehn Prozent unter dem Wert von 2019. Aber: Im Jahr 2020 haben auf deutschen Baustellen insgesamt 97 Beschäftigte infolge eines Arbeitsunfalls ihr Leben verloren – 27 mehr als 2019. Dagegen liegt die Zahl der tödlichen Wegeunfälle (2019: 21, 2020: 19) knapp unter dem Vorjahresniveau.

Bei der Betrachtung von Unfällen im Reinigungsgewerbe der BG BAU sind im vergangenen Jahr diverse Gefährdungen aufgetreten. Allerding fallen zwei der Gefährdungen, so die Auskunft der BG BAU, besonders auf: Abstürze und SRS-Unfälle (Stolpern/Rutschen/Stürzen).

Bei Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit ist ein leichter Anstieg zu verzeichnen: Mit 15.821 Verdachtsanzeigen im Jahr 2020 stieg die Zahl um rund 0,8 Prozent im Vergleich zu 2019. Die am häufigsten gemeldeten Verdachtsfälle sind der weiße Hautkrebs (Plattenepithelkarzinom oder multiple aktinische Keratose) (2.768), Lärmschwerhörigkeit (2.686) und Lungenkrebs in Verbindung mit Asbest (1.411).

Hansjörg Schmidt-Kraepelin, Hauptgeschäftsführer der BG BAU, sagt: "Die Zahlen zeigen: Noch immer ist das Unfallgeschehen auf den Baustellen zu hoch. Beim Arbeitsschutz müssen wir alle gemeinsam noch besser werden. Die Bauwirtschaft und das Reinigungs­gewerbe haben gezeigt, dass sie das können: Die Corona-­Pandemie haben sie trotz aller Herausforderungen erfolgreich gemeistert, obwohl auf den Baustellen durchgearbeitet wurde. Das Gebäudereiniger-­Handwerk hat in Schulen und Krankhäusern für die notwendige Hygiene gesorgt und gleichzeitig seine Beschäftigten geschützt.“

Coronavirus-Infektion: ­Krankheit oder Arbeitsunfall

Eine Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 kann von der BG BAU als Berufskrankheit anerkannt werden. Voraussetzung dafür ist ein intensiver berufsbedingter Kontakt des oder der Versicherten zu einer oder mehreren infizierten Personen, etwa bei Rei­nigungskräften im medizinischen Bereich. In begründeten Einzelfällen kann eine Ansteckung mit dem Coronavirus auch als Arbeitsunfall anerkannt werden.

Jörg Wachsmann, Leiter der Abteilung Steuerung Rehabilitation und Leistungen der BG BAU, weist darauf hin, dass "in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen zur Anerkennung als Versicherungsfall vorliegen". Er führt weiter aus: "Die Anerkennung einer Covid-19-Erkrankung als Berufskrankheit nach der Nr. 3101 (Infektionskrankheiten) setzt voraus, dass die erkrankte Person durch ihre Berufstätigkeit im Gesundheitsdienst, beispielsweise als Reinigungskraft in einer Klinik oder Pflegeeinrichtung, infektionsgefährdet war."

Wird eine beruflich bedingte Infektion vermutet und liegen zumindest leichte Symptome vor, sollte unverzüglich eine Verdachtsanzeige an die BG BAU gemeldet werden. Das können Arbeitgebende oder Beschäftigte selbst tun. Ebenso kann die Meldung auf Verdacht einer Berufskrankheit oder eines Arbeitsunfalls durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt erfolgen. Sowohl bei beruflich bedingten Infektionen mit Symptomen als auch bei Infektionen ohne Symptome sollte die Erkrankung immer im Verbandbuch dokumentiert werden. Das erleichtert die ­Untersuchung und Anerkennung von möglichen Spätfolgen der Infektion.

Ist eine Infektion im beruflichen Kontext mit dem Coronavirus außerhalb medizinischer Tätigkeitsbereiche erfolgt, kann auf Grundlage aktueller Erkennt­nisse über die Verbreitung des Coronavirus eine Erkrankung auch einen Arbeitsunfall darstellen. "In solchen Fällen", sagt Jörg Wachsmann, "muss die BG BAU in jedem Einzelfall prüfen und bewerten, ob die V or­aussetzungen zur Anerkennung einer Covid-19-­Erkrankung vorliegen."

So muss eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter nachweislich mit einer infek­tiösen Person (Index­person) während der versicherten Tätigkeit in Kontakt gekommen sein. Hat der Kontakt mit einer Indexperson auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg stattgefunden und ist in der Folge eine Covid-19-­Erkrankung aufgetreten, kann ebenfalls ein Arbeitsunfall vor­liegen.

"Bei der Anerkennung einer Erkrankung als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit spielen vor allem die ­Dauer sowie Intensität des Kontaktes einer nachweislich mit dem Virus infizierten Person eine Rolle", erklärt Jörg Wachsmann. Eine Entschädigung durch die BG BAU setzt weiterhin voraus, dass nach einer Infektion mindestens geringfügige klinische Symptome ­auftreten. Treten erst später Gesundheitsschäden auf, die als Folge einer beruflich verursachten Infektion anzusehen sind, übernimmt die BG BAU auch ab diesem Zeitpunkt die Heilbehandlung.

Tödliche Arbeitsunfälle meist durch ­Absturz

Eine häufige Ursache für tödliche Arbeitsunfälle ist der Absturz von Dächern, Gerüsten und Leitern sowie der Durchsturz durch nicht tragfähige Bauteile, wie Lichtkuppeln und Lichtbänder. Bernhard Arenz, Leiter der Hauptabteilung Prävention der BG BAU, sagt: "Abs türze von hochgelegenen Arbeitsplätzen führen fast immer zu schweren Verletzungen, mit dramatischen Folgen für die Betroffenen und enden bei größeren Absturzhöhen oft tödlich. Dabei sind sie durch die Einhaltung weniger einfacher Regeln vermeidbar. Die Sicherung vor Abstürzen muss überall selbstverständlich sein. Dafür setzen wir uns ein.“"

Die BG BAU unterstützt nicht nur mit Beratung und Information, sondern auch finanziell: Unternehmen, die in technische Schutzmaßnahmen investieren, können Fördermittel der BG BAU erhalten. Unter der großen Auswahl an Arbeitsschutzprämien ( www.bgbau.de/praemien ) richten sich insbesondere die beiden folgenden Arbeitsschutzprämien an die Mitgliedsbetriebe aus der Reinigungsbranche:

Arbeitsschutzprämien zur Absturzprävention finden Sie gebündelt an dieser Stelle: www.bgbau.de/service/angebote/arbeitsschutzpraemien/mit-sicherheit-sparen-bis-zu-10000-euro-fuer-investitionen-zur-vermeidung-von-absturzunfaellen/. Diese betreffen Investitionen zur Vermeidung von Absturzunfällen, zum Beispiel im Bereich Leitern, Tritten, Arbeitsbühnen et cetera.

Quelle: BG BAU |markus.targiel@holzmann-medien.de

Horst Keen: Gute Basis zahlt sich in der Pandemie aus

Horst Keen, Leiter Technisches Management Facility Service, ­Piepenbrock, ­Osnabrück - © Piepenbrock

Horst Keen, Leiter Technisches Management Facility Service, ­Piepenbrock, ­Osnabrück: "Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig unsere Gebäuderei­niger für den Erhalt des öffentlichen Lebens sind: in Super­märkten, Banken, Schulen und der Verwaltung. Ohne Reinigung keine Öffnung. Für sie gab es kein Homeoffice – umso wichtiger war in dieser Zeit der Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Um unsere Mitarbeiter bestmöglich zu schützen, haben wir frühzeitig reagiert. Reinigungsprodukte, Schutzmaterial und PSA sowie Testkits wurden so schnell wie möglich beschafft. Hierbei konnten wir auf unsere langjährigen Lieferpartner ­zählen.

In enger Abstimmung mit dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks, der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, dem Robert Koch-Institut und den Behörden haben wir Handlungsempfehlungen entwickelt und immer wieder den geänderten Gegebenheiten angepasst. Für Rückfragen aus dem Unternehmen stand eine interne Expertengruppe durchgehend zur Verfügung.

Dadurch, dass Mitarbeiter in Quarantäne mussten, sind durchaus Fehlzeiten entstanden. Erfreulich ist aber, dass durch die guten Hygienekonzepte, die wir gemeinsam mit unseren Kunden umsetzen, keine verstärkten Ausbrüche von SARS-CoV-2 festzustellen sind.

Arbeits- und Gesundheitsschutz ist bei uns fest etabliert und wird von den Beschäftigten gut angenommen. Die regelmäßige Aufklärung ist durch interne Prozesse abgesichert. Auf diese gute Basis konnten wir in der Pandemie aufbauen. In den Niederlassungen wurden die Abläufe zusätzlich durch diverse Hilfsmittel unterstützt.

Durch das Arbeitsschutz­managementsystem AMS BAU wurden weitere Prozesse zur Verringerung der Unfälle und zur Steigerung des Bewusstseins für die Gesundheit bei uns etabliert – die 2021 erfolgte Wiederbegutachtung hat das noch einmal bestätigt."

Philipp Conrads: Unfälle ­deutlich ­zurückgegangen

Philipp Conrads, Vorsitzender der Geschäftsführung, Dussmann Service Deutschland - © Dussmann

Philipp Conrads, Vorsitzender der Geschäftsführung, ­Dussmann ­Service ­Deutschland, Berlin: "Von Beginn der Corona-Pandemie an waren wir als Facility-­Management-Dienstleister und als Arbeitgeber gleichermaßen besonders gefordert. Bereits nach ersten Infektionsfällen Anfang 2020 hat zum Beispiel Webasto uns damit beauftragt, den gesamten Standort in Stockdorf zu reinigen und zu desinfizieren. Die Dienstleistungsbedingungen waren deutlich erschwert, denn wir mussten das Personal des Kunden und unsere Gebäudereiniger gleichermaßen vor einer Infektion schützen. Die Lage erforderte schnelles Handeln: Unsere Reinigungsexperten wurden spezifisch geschult und mit geeigneten Desinfektionsmitteln sowie persönlicher Schutzausrüstung ausgestattet.

Um die Mitarbeitenden an allen Dussmann-Standorten zu schützen, haben wir im Frühjahr 2020 die „Task-Force ­Covid-19“ gebildet, bestehend aus Reinigungs-, Hygiene-, Strategie- und Arbeitsschutzexperten. Bis heute ist die Task-Force zentrale Anlaufstelle für Mitarbeitende und Kunden. Das hilft uns, neue Anforderungen direkt zu identifizieren und darauf zu reagieren. Dazu zählen auch die vielen, unvorhersehbaren Änderungen der behördlichen Vorgaben.

Um Arbeits- und Gesundheitsschutz aller Mitarbeitenden sicherzustellen, werden unsere Führungskräfte permanent gebrieft und definieren zusammen mit der Task-Force geeignete Schutzmaßnahmen. Bis heute werden alle Mitarbeitenden zu wichtigen Ereignissen und neuen Anforderungen nachweislich unterwiesen. Erarbeitete Abstands- und Hygienekonzepte geben Orientierung zum Selbst- und Fremdschutz bei der täglichen Arbeit. Außerdem bieten wir an allen Standorten Schnelltests zur wöchentlichen Selbstanwendung an.

Für den Erfolg unserer Maßnahmen spricht, dass die Zahl betrieblicher Unfälle im Vergleich zu 2019 deutlich zurückgegangen ist. Schwere Arbeitsunfälle oder bestätigte Berufskrankheiten wurden im vergangenen Jahr glücklicherweise gar nicht gemeldet. Insgesamt haben wir durch die Pandemiesituation somit wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Dominic Jacobi: Zertifizierung in Planung

Dominic Jacobi, Fachkraft für Arbeitssicherheit, ­Günter ­Jacobi Glas- und ­Gebäudereinigung, Griesheim - © Jacobi

Dominic Jacobi, Fachkraft für Arbeitssicherheit, ­Günter ­Jacobi Glas- und ­Gebäudereinigung, Griesheim: "Auch bei uns hat der Arbeits- und Gesundheitsschutz in den vergangenen Jahrzehnten eine nicht mehr wegzudenkende Rolle eingenommen. Spielte er noch vor 20 Jahren eine eher untergeordnete Rolle, so ist er im heutigen Arbeitsumfeld längst zum Kernthema geworden. Nicht nur um Aufträge zu sichern und neue Kunden für unser Unternehmen begeistern zu können, sondern maßgeblich um die Sicherheit unserer Mitarbeiter zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschieden das Arbeitsschutzmanagementsystem AMS BAU einzuführen. Für das kommende Jahr planen wir eine Zertifizierung nach ISO 45001.

Wir bei Jacobi haben immer schon großen Wert darauf gelegt, dass unsere Mitarbeiter mit der neuesten persönlichen Schutzausrüstung und ergonomischen Arbeitsmitteln ausgestattet sind. Wir haben es daher sehr begrüßt, als die BG BAU ­ Arbeitsschutzprämien eingeführt hat. Dieses Instrument nutzen auch wir gerne, wenn wir heute neue Produkte oder Maßnahmen einführen wollen. Ich bin davon überzeugt, dass damit viel dazu beigetragen werden kann, die Unfallzahlen in der Branche zu senken.

Neben den bei Neuaufträgen durchzuführenden Gefährdungs­beurteilungen und den späteren Wirkungskontrollen halte ich die stetigen Unterweisungen und Schulungen unserer Mitarbeiter für essenziell, um die Unfallzahlen in unserem Unternehmen weiterhin so niedrig zu halten.

Den Stellenwert eines funktionierenden Arbeitsschutz­managementsystems hat uns gerade die Corona-Pandemie deutlich gezeigt. Hier hatten auch wir im Unternehmen alle Hände voll zu tun. Zum Schutz unserer Mitarbeiter und durch die vom Gesetzgeber immer wieder veränderten Vorgaben mussten Gefährdungsbeurteilungen und die daraus abzuleitenden Maßnahmen regelmäßig überprüft und angepasst werden. Die Pandemie hatte bisher keine negativen Auswirkungen auf unsere Unfallquote. Diese lag 2020 unter den Zahlen aus 2019 und 2018.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei allen Mitarbeitern unseres Unternehmens für ihr Mitwirken und das ­konsequente Umsetzen aller gebotenen Maßnahmen bedanken. "