Glasreinigung: Leitern sind nur das letzte Mittel der Wahl

Leitern sind Arbeitsmittel, die zu Absturzunfällen mit schlimmen Folgen führen können. Das schlägt sich auch in der Technischen Regel TRBS 2121 nieder, die vor einiger Zeit entsprechend überarbeitet wurde. Was bedeuten die aktuell geltenden Unfallverhütungsvorschriften im Umgang mit Glasreinigerleitern für Gebäudedienstleister?

Die neue TRBS schreibt bei Leitern Stufen vor. Denn Sprossen sind ein häufiger Grund für viele Ausrutsch-Absturzunfälle gewesen. Die Stufen müssen trittsicher sein. - © Günzburger Steigtechnik

Die Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) werden in den Technischen Regeln für die ­Betriebssicherheit (TRBS) konkretisiert und von der Berufsgenossenschaft BG Bau in Unfallverhütungsvorschriften (UVV) umgesetzt. Der Umgang mit Glasreinigerleitern ist in Baustein B 131 Anlege­leitern beschrieben. Weitere Unfallverhütungs­vorschriften finden sich in Baustein C 334 Glas- und Fassadenreinigung.

Gesetzliche Grundlagen

Die Anforderungen für Leitern sind in der TRBS 2121 in Teil 2 („Gefährdung von Beschäftigten durch ­Absturz bei der Verwendung von Leitern“) fest­gelegt. Die überarbeitete TRBS 2121, veröffentlicht im ­Dezember 2018 und gültig seit Januar 2019, hat für sehr viel Unruhe unter Glasreinigern gesorgt, weil sich daraus doch einige wesentliche neue Vorschriften in der Beschaffung und im Umgang mit Glasreiniger­leitern ergeben haben. Außerdem werden nach DIN EN 131 Leitern für den privaten und gewerb­lichen ­Gebrauch unter­schieden. Leitern für den gewerb­lichen ­Gebrauch sind entsprechend gekennzeichnet. Ihre Bauart ist für den Einsatz auf Bau­stellen stabiler und alle Anlege­leitern über drei ­Meter ­müssen über e ine Traverse (Fußverbreiterung) ver­fügen.

Wodurch können Leitern ersetzt werden?

Prinzipiell ist eine Leiter ein gefährliches Arbeits­mittel, das zu Absturzunfällen führen kann. Der ­Einsatz einer Leiter ist daher zu vermeiden (Substi­tutionsgebot). Leitern dürfen nur dann verwendet ­werden, wenn der Arbeitgeber vor dem Gebrauch eine Gefährdungsanalyse erstellt hat. In seiner Analyse muss der Gebäudedienstleister prüfen, ob er für die Tätigkeit kein Arbeitsmittel mit mehr ­Sicherheit – zum Beispiel Gerüst, Hubarbeitsbühne, wasser­führendes Stangensystem oder Teleskopstangen bei der Glasreinigung – verwenden kann. Er ist verpflichtet, den Ersatz (Substitution) der Leiter durch ein weniger ­gefährliches Arbeitsmittel zu bevorzugen.

Plattformleitern besser als Stehleitern

Sollte die Analyse ergeben, dass die Leiter das ­alleine mögliche Aufstiegsmittel ist, muss auch nach der Entscheidung zu deren Verwendung ­eine Risiko­minimierung angestrebt werden. So erlauben ­beispielsweise Plattformleitern einen deutlich besseren Stand als herkömmliche Stehleitern oder gar Anlegeleitern. Zur Durchführung der Gefährdungsanalyse für hochgelegene Arbeitsplätze bei der Glasreinigung hat der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) eine Handlungshilfe entwickelt. Innungsmitglieder können sie auf ­www.die-gebaeudedienstleister.de/service-fuer-gebaeudedienstleister/technische-informationen herunterladen. Sollte sich der Gebäudedienstleister bei ­einem ­Arbeitseinsatz für eine Stufen-Glasreiniger­leiter entscheiden, kann er für den Kauf eine Förderung der ­BG Bau in Anspruch nehmen (www.bgbau.de/service/angebote/arbeitsschutzpraemien/praemie/stufen-glasreinigerleiter/).

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    Leitern dürfen nur dann verwendet werden, wenn der Arbeitgeber vor dem Gebrauch eine Gefährdungsanalyse erstellt und geprüft hat, dass kein Arbeitsmittel mit mehr Sicherheit verwendet werden kann. Hier zu sehen: eine sicher aufgebaute Stufen-Glasreinigerleiter, angelegt im korrekten Winkel von 60 bis 70 Grad. Wichtig: Die oberen drei Stufen dürfen nicht betreten werden.
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    Alle Anlegeleitern über drei Meter müssen über eine Traverse (Fußverbreiterung) verfügen.
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    Eine Stufen-Glasreinigerleiter darf nur bis zu der vom Hersteller angegebenen Länge zusammengesteckt werden. Dabei ist auf die vollständig geschlossene Verbindung der Steckanschlüsse zu achten.
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    Leitern, die hohen mechanischen Beanspruchungen ­ausgesetzt sind, müssen mindestens jährlich ­geprüft werden. Die BG-Bau bietet Aufkleber zur Kennzeichnung der geprüften Leitern an.
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    Ergonomischer Transport: Rollen an der Traverse ermöglichen es, dass die Glasreinigerleiter gezogen und damit zügig versetzt werden kann.

Stufen statt Sprossen

Die neue TRBS schreibt bei Leitern Stufen vor. Denn Sprossen sind ein häufiger Grund für viele Ausrutsch-Absturzunfälle gewesen. Deshalb hat die ­­­­­­BG Bau diese Vorgabe in ihren Unfallverhütungsvorschriften (Baustein B 131) aufgenommen. Bei Verwendung ­einer Leiter als hochgelegener ­Arbeitsplatz muss der Beschäftigte stets mit beiden Füßen auf einer Stufe oder Plattform stehen. Das ­Arbeiten von Leitersprossen aus ist nicht mehr zu­lässig. Das heißt: Glasreiniger­leitern mit Sprossen dürfen nicht mehr verwendet ­werden. Weiterhin muss die Stufe tritt­sicher sein. Von der Regel „Stufe statt Sprosse“ darf nur in besonders ­begründeten Fällen, wie etwa der Arbeit in engen Schächten, abgewichen werden – was auch im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren ist.

Arbeiten dürfen von Leiterstufen oder einer Plattform dauerhaft nur bis zu einer Standhöhe von zwei Meter ausgeführt werden. Liegt di e Standhöhe zwischen zwei und fünf Metern, dürfen Arbeiten auf der Leiter maximal für zwei Stunden pro Schicht durchgeführt werden. Oberhalb von fünf Metern sind Arbeiten von Leitern aus unzulässig.

Stufenbreite soll reduziert werden

Stufen von gewerblichen Leitern sind acht Zentimeter breit, um ein ergonomisch sicheres Stehen zu ermöglichen. Jetzt soll auf Betreiben der Leiterhersteller über eine Neufassung der Leiternorm DIN EN 131 die vorgeschriebene Stufenbreite von acht auf 4,5 Zentimeter reduziert werden. Dadurch ­würden die Leitern leichter und handlicher werden.
"Das ist mir komplett unverständlich, damit steigt die Unfall­gefahr immens. Jeder Arbeitsunfall ist einer zu viel, wir müssen die Risiken minimieren und nicht noch erhöhen. Zudem ist erwiesen, dass die jetzigen Stufenbreite von acht Zentimetern auch gelenkschonend ist", sagt Ulrike Laux, die bei der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) für die Gebäudereinigung zuständig ist.
"„Wir haben zum Thema Leitern und Tritte in Deutschland ­gerade eine intensive sowie konstruktive Diskussionsphase abgeschlossen", erklärt Johannes Bungart, Geschäftsführer des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV). "Die jetzigen Regelungen sind als Kompromiss für die Branche weitgehend praktikabel. Die EU sollte an ­dieser Stelle keine nochmaligen Neuerungen anstoßen."

Bei fünf Metern ist Schluss

Der maximale Höhenunterschied für den Einsatz ­einer Stufen-Glasreinigerleiter beträgt fünf Meter. In diesem Punkt hat sich eine wesentliche Änderung bei der Überarbeitung der TRBS ergeben. Zuvor war eine Höhe von sieben Metern zulässig. Die Stufen-Glasreinigerleiter darf nur bis zu der vom Hersteller ­angegebenen Länge zusammengesteckt werden. Die Leiter muss auf festem, ebenen Untergrund aufgestellt sein und der Anlegeklotz muss an sicheren, stabilen Stützpunkten angelehnt werden. Dabei ist auf die vollständig geschlossene Verbindung der Leiter-Steckanschlüsse zu achten. Der Anlegewinkel von 60 bis 70 Grad muss eingehalten werden. Das mitgeführte Werkzeug und Material darf ein Gewicht von zehn Kilogramm nicht überschreiten. Mitgeführte Gegenstände, die Windangriffsfläche bieten, müssen kleiner als ein Quadratmeter sein.

Leitern regelmäẞig prüfen

Die Prüfung der Leitern ist ebenfalls aus den Anfor­de­­rungen der Betriebssicherheitsverordnung abzu­­leiten. Vor jeder Verwendung ist die ­Leiter fach­kundig durch Inaugenscheinnahme auf ­offensichtliche ­Mängel zu kontrollieren. Werden ­Leitern hohen ­mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt, wie es auf Baustellen immer der Fall ist, sind sie ­darüber ­hinaus regelmäßig mindestens jährlich zu prüfen. Diese Prüfung muss im Leiterbuch ­dokumentiert werden. Die BG Bau bietet Auf­kleber zur Kennzeichnung der geprüften Leitern an. ­Werden sicherheitsrelevante Mängel festgestellt – etwa ­angebrochene Wangen oder Stufen –, dürfen die ­Leitern nicht mehr verwendet werden.

Wann Anlegeleitern verboten sind

Mit Stoffen, von denen Gefahren ausgehen – wie Säuren, Laugen oder Heißbitumen –, darf von ­Anlegeleitern aus nicht gearbeitet werden. Ebenso sind Arbeitsverfahren, die mit beiden Händen ausgeführt werden müssen, zum Beispiel die Arbeit mit einem Hochdruckreiniger oder einer Bohrmaschine, auf Anlegeleitern verboten.

Unterweisung im Umgang mit Leitern

Die Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften der BG Bau im Umgang mit Leitern hilft, Absturz­unfälle zu vermeiden. Deshalb müssen die Mit­arbeiter im ­Umgang mit Leitern unterwiesen werden. Die Betriebs­sicherheitsverordnung schreibt vor, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten vor der ersten Verwendung der Stufen-Glasreinigerleiter tätigkeitsbezogen zu ­unterweisen hat und ihnen eine Betriebsan­weisung in schriftlicher Form und verständlicher Sprache zur Verfügung stellt. ­Danach hat er in regel­mäßigen ­Abständen, mindestens jedoch einmal ­jährlich, ­weitere Unterweisungen durchzuführen. Das Datum einer jeden Unter­weisung und die Namen der Unterwiesenen sind schriftlich festzuhalten.

Um einen ergonomischen Transport der Leiter von einem Standort zum nächsten zu gewährleisten, sind Rollen an der Traverse (Fußverbreiterung) einer ­Stufen-Glasreinigerleiter sinnvoll. Dadurch kann der Mitarbeiter die Leiter hinter sich herziehen und sicher und schnell versetzen.

Absturzkante auf zwei Meter verringert

Um Absturzunfälle zu vermeiden, wurden die Absturz­höhen von höher gelegenen Arbeitsplätzen ebenfalls überarbeitet. Bei der Glasreinigung von ­innen werden oftmals Fensterbänke als Aufstiegsmöglichkeit benutzt. Auch hier gilt: Ein sicherer Stand ist ­erforderlich. Die Bank muss tragfähig und mindestens ­25 Zentimeter breit sein. Bei innen­liegenden Arbeiten am ­offenen Fenster schreibt die BG Bau in ihren ­ Unfallverhütungsvorschriften (Baustein ­C 334 Glas- und ­Fassadenreinigung) nun ab einer Absturzhöhe von zwei Metern Maß­nahmen zur Sicherung vor. Damit hat sich die Absturzkante von fünf auf zwei Meter ver­ringert. Das bedeutet: Schon ab der ersten Etage ­müssen Maßnahmen gegen Absturz ­getroffen werden. Das kann ein mobiles Schutz­geländer sein, das ­zwischen den Fensterrahmen gespannt wird, oder ­persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz.

Claudia Liersch | heike.holland@holzmann-medien.de

Claudia Liersch - © privat

Claudia Liersch
ist Lehrerin an der Gewerblichen Schule ­Metzingen. Sie unterrichtet seit vielen Jahren Gebäude­reiniger-Auszubildende und Meisterschüler.