Richtiger Umgang mit Ramadan Wie sich der Fastenmonat gut managen lässt

Ende Mai beginnt der muslimische Fastenmonat Ramadan. Geschätzte zwei Millionen der Muslime in Deutschland werden dann von Sonnenaufgang bis -untergang nichts essen und nichts trinken. In der Gebäudereinigung arbeiten überdurchschnittlich viele Muslime – wie können sich Arbeitgeber auf den Fastenmonat einstellen?Betende und fastende Muslime müssen während des Ramadan religiöse Praxis und Arbeitspflichten vereinbaren. Bild: Fotolia/fotoinfotIn vielen Unternehmen des Gebäudereiniger-Handwerks ist der muslimische Fastenmonat präsent. Manchmal fastet sogar der weit größere Teil einer Belegschaft oder einer Gruppe, unabhängig von der Unternehmensgröße. Genaue Angaben zu den Gesamtzahlen gibt es nicht: Eigenschaften wie Religionszugehörigkeit und religiöse Praxis werden statistisch nicht im Zusammenhang mit dem Beruf erfasst. Dabei schätzen Innungen, dass rund 40 Prozent der in der Gebäudereinigung beschäftigten Menschen einen Zuwanderungshintergrund haben. Die meisten stammen aus islamisch geprägten Ländern. Zwar sind nicht alle Menschen aus diesen Ländern tatsächlich muslimisch, aber die deutliche Mehrzahl. Leistungsfähigkeit leidetGeht man davon aus, dass über die Hälfte der Muslime in Deutschland Ramadan praktiziert – so die Einschätzung muslimischer Verbände –, könnten 20 Prozent der Mitarbeiter in der Gebäudereinigung Ramadan praktizieren. Das sind auf jeden Fall so viele, dass sich Arbeitgeber darauf einstellen müssen. Das Fasten wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit aus. Das bestätigen Fastende, nichtfastende Kollegen und auch Ausbilder und Vorgesetzte. Studien weisen darauf hin, dass die Unfallrate in überwiegend muslimischen Ländern während der Fastenzeit anzusteigen scheint. Und in diesem Jahr fällt der Fastenmonat, der sich nach dem Mondkalender richtet und damit jedes Jahr einige Tage früher beginnt, in die Zeit rund um die Sommersonnenwende. Dann sind die Tage noch länger und die Nächte noch kürzer. Zum Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug kann also auch noch Schlafmangel hinzukommen. Die Arbeit in der Gebäudereinigung bietet den Fastenden aber gewissermaßen Vorteile: Bestimmte Herausforderungen, denen sich andere handwerkliche Bereiche stellen müssen, stehen für Gebäudereiniger zumindest nicht immer im Vordergrund. So liegen in den Bau-Gewerken die Schwierigkeiten etwa im nahezu ständigen harten körperlichen Einsatz. Bäcker kämpfen tagsüber mit dem ständigen Umgang mit Essen. Berufe mit Kundenkontakt wie Friseure oder Schneider können zur Prüfung werden, wenn sich durch das Fasten die Aufmerksamkeit nach innen wendet oder zeitweise Gereiztheit einstellt. Und Gewerke, die mit Schnittstellen arbeiten oder mit zeitlicher Präzision liefern müssen, können Gefahr laufen, Leistungseinbußen einzelner Mitarbeiter nicht rechtzeitig ausbügeln zu können. Dagegen können fastende Gebäudereiniger zum Beispiel von der Möglichkeit profitieren, die Schichten etwas flexibler als sonst zu gestalten. Je größer die Unternehmen sind, desto leichter ist es, die Mitarbeiter durch eine Umverteilung der Aufgaben zu entlasten. Gleichzeitig kann sich in den oft kleinen Arbeitszusammenhängen ein enger Bezug unter den Kollegen ausbilden, was das gegenseitige Verständnis leichter macht. Von Vorteil kann es außerdem sein, wenn Arbeitseinsätze eher aus Routinearbeiten bestehen, also keine durchgehend hohen kognitiven Anforderungen bestehen. Und auch, dass sich unter den Gebäudereinigern überdurchschnittlich viele Kollegen befinden, die selbst fasten oder aufgrund ihrer Herkunft im alltäglichen Kontakt mit fastenden Muslimen stehen, kann es den Fastenden sehr viel leichter machen. Schwieriger als für manch anderen Beruf ist es dagegen für die Gebäudereiniger, im Arbeitsalltag entlastende Pausen (oder auch Gebetspausen) einzulegen, da diese unter den räumlichen Bedingungen des jeweiligen Objektes manchmal unmöglich sind. Auch der oft hohe Zeitdruck kann Entlastungspausen schwierig machen. Werkzeug zur MitarbeiterführungWie stark die Leistungseinbußen durch das Fasten letztlich im Arbeitsalltag zum Tragen kommen, hängt einerseits von den körperlichen und kognitiven Anforderungen und andererseits von der individuellen Leistungs- und Einsatzfähigkeit ab. Dem Arbeitgeber kommt der Job zu, diese beiden Faktoren aufeinander einzustellen. Betriebe mit muslimischen Mitarbeitern, die an Ramadan fasten möchten, können sich aber vorbereiten. Ziel ist es, Sicherheitsrisiken zu minimieren und allen Mitarbeitern gerecht zu werden. Darüber lässt sich auch die Motivation steigern und der Krankenstand senken. Ramadan kann damit zu einem gestaltenden Werkzeug der Mitarbeiterführung werden: Fragen Sie Ihre Mitarbeiter, wer Ramadan praktizieren will. Erkundigen Sie sich bei denen, die sie nicht gut einschätzen können, wie viel Erfahrung sie haben – Übung kann ein wichtiger Faktor darin sein, wie stark die individuelle Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Besprechen Sie mit praktizierenden Mitarbeitern, ob sie einen Teil ihres Urlaubs in diesem Zeitraum nehmen wollen. Lassen Sie sich auf Verhandlungen ein, mit Krankschreibung und Unzufriedenheit ist niemandem gedient. Bieten Sie möglichst auch unbezahlten Urlaub an. Weisen Sie darauf hin, dass die drei Tage Fest am Ende des Ramadan keine gesetzlichen Feiertage sind.Prüfen Sie für die Zeit während des Fastens Versetzungsmöglichkeiten, dazu sind Sie gesetzlich verpflichtet. Sicherheitsrelevante Arbeitsbereiche sollten ausgespart werden. Beziehen Sie Vorgesetzte und Ausbilder ein, gegebenenfalls Betriebsrat und Betriebsarzt. Verständigen Sie sich mit dem Fastenden: Ramadan ist für manche Fastende so selbstverständlich wie für Sie Weihnachten. Eine Ablehnung kann als eine Ablehnung der Person empfunden werden. Zeigen Sie Akzeptanz und Respekt – Mitleid dagegen ist fehl am Platz, es ist eine freiwillige Leistung. Erklären Sie, dass Sie Verständnis haben, und versuchen Sie, den Bedürfnissen entgegenzukommen, aber dass „der Betrieb laufen muss“. Arbeitet das Unternehmen in Schichten, versuchen Sie frühzeitig diese nach den Bedürfnissen der Fastenden zu besetzen. Speziell das abendliche Essen im Kreis der Familie sollte wenn möglich berücksichtigt werden.Beziehen Sie die Belegschaft und vor allem die direkten Kollegen mit ein. Manchmal kann es gut sein, die Haltung des Unternehmens zum Sachverhalt deutlich zu machen. Falls nötig, erklären Sie, was Ramadan im Islam bedeutet, vergleichen Sie mit bekannten Bedürfnissen. So ist das Zuckerfest zum Beispiel vergleichbar mit Weihnachten. Je offener und persönlicher gesprochen wird, desto besser ziehen alle mit und sind zum Beispiel auch von Vertretungsplänen zu überzeugen.Im Sinne der Gleichbehandlung sollte die Flexibilität, die das Unternehmen den fastenden Mitarbeiter anbietet, möglichst jedem Mitarbeiter zugutekommen. Erkundigen Sie sich bei Fastenden, Vorgesetzten und Kollegen während des Ramadan, wie es läuft. Bessern Sie bei Bedarf Ihre Maßnahmen nach. Wenn Sie erkennen, dass Ihr Mitarbeiter trotz aller Maßnahmen offensichtlich überfordert ist und Sie können ihm keine weitere Entlastung bieten, fordern Sie ihn auf, das Fasten zu unterbrechen, damit weder das Unternehmen noch der Mitarbeiter Schaden nimmt. Der Koran sieht Fastenersatzleistungen vor. Anouschka Wasner | peter.hartmann@holzmann-medien.de