Wer allergisch auf einen Stoff reagiert, mit dem er täglich arbeitet, hat nur wenige Möglichkeiten: Entweder er schützt sich vor dem direkten Kontakt zum Beispiel mit Schutzhandschuhen und Atemmaske oder, wenn das nicht möglich ist, er fängt neu an. Andreas Rackl, ehemals Polier, musste den zweiten Weg gehen, denn sein Körper reagierte so heftig auf Epoxidharz, dass ihm die Luft wegblieb.

Umschulen statt aufgeben
-Als sein Griff ins Leere ging und Andreas Rackl merkte, dass sein Inhalator im Bauwagen lag, statt griffbereit in der Jackentasche, hatte das Epoxidharz in seiner Lunge bereits eine heftige allergische Reaktion ausgelöst. Er rang nach Atem, schaffte es aber noch, über Handy einen Kollegen zu rufen, der mit dem erlösenden Medikament herbeieilte.
Nach einer solchen Extremsituation sollte man meinen, dass der Betroffene schnellstmöglich das Weite sucht, die Orte meidet, an denen er mit dem allergieauslösenden Stoff in Berührung kommt.
Andreas Rackl harrte, wie viele andere, die von einer Berufskrankheit betroffen sind, aus. „Die Arbeit auf der Baustelle hat mir einfach irre Spaß gemacht“, erzählt der heute 42-Jährige, der ursprünglich Schreiner gelernt hatte und erst später zum Bau kam, wo er sich bis zum Polier hocharbeitete.
„Das geht schon irgendwie“
Die ersten Beschwerden bekam er 1995. Rackl: „Da hab ich noch geglaubt, mit Anfang 30 kann mir nix passieren.“ Seine Hände wurden rot und rissig. Kontaktekzeme nennen das Hautärzte. Die Finger und Fingerzwischenräume, Handgelenke, Unterarme und sogar die Augen und Schleimhäute waren davon betroffen. Manchmal schwollen auch bei Andreas Rackl Hände und Gesicht an und erst nach einer Woche wieder ab. Ans Aufhören und einen Berufswechsel hat der zweifache Familienvater dennoch lange nicht gedacht.
Nach dem Motto „das geht schon irgendwie“ halten viele Betroffene in ihrem Beruf aus und verschlimmern damit die Situation. Der Körper reagiert immer heftiger auf die unverträgliche Substanz, im Falle von Andreas Rackl bis hin zu Erstickungsanfällen. Der Stoff ist besonders tückisch, da er nicht nur bei direktem Hautkontakt, sondern auch über die Lunge aufgenommen wird. Die Berufsgenossenschaften zählen Epoxidharz-Unverträglichkeiten zu den häufigsten Berufskrankheiten. Das Harz kommt in Zweikomponentenform in Industriefußbodenbeschichtungen, in Grundierungen, Klebstoffen und in der Betonsanierung zum Einsatz, daher gehören hauptsächlich Bauarbeiter, Bodenleger, Maler und Lackierer zu den betroffenen Berufsgruppen.
Handschuhe und Cremes
In der Fachliteratur ist aber auch der Fall einer Reinigungskraft dokumentiert, die Ekzeme an den Handflächen bekam, weil das Handstück des Wischgerätes geringste Teile an Epoxidharz enthielt. Andreas Rackl suchte 2001 einen Hautarzt auf, der die Epoxidharz-Allergie diagnostizierte. Erste Versuche, die Beschwerden zu lindern, zum Beispiel auch mit einem Hautschutzpaket der Berufsgenossenschaft, das eine Reihe von Handschuhen und Cremes enthält, brachten nicht den gewünschten Erfolg. Tatsächlich können Handschuhe und Cremes bei Epoxidharz-Allergie, eben wegen der angesprochenen Aufnahme über die Atemwege, wenig bewirken. Bei vielen anderen allergischen Reaktionen, gerade auch bei Hautproblemen von Reinigungskräften, können geeignete Handschuhe sowie schützende und pflegende Cremes einen sehr positiven Einfluss haben.
Wilhelm Schmidt, heute Leiter des Rehamanagements der Unfallabteilung der BG BAU, begleitete Andreas Rackl seit 2003 als Berufshelfer und Gruppenleiter Berufskrankheiten. „Wir haben gemeinsam mit dem Arbeitgeber versucht, Herrn Rackl weiter als Polier zu beschäftigen. Der Betrieb war auch sehr kooperativ, aber irgendwann ging es einfach nicht mehr.“ Rackl sprach sich eine zeitlang sogar mit Kollegen benachbarter Baustellen ab, um die Baustelle rechtzeitig verlassen zu können, bevor dort Epoxidharz zum Einsatz kam. Das funktionierte gut, bis zu dem Tag, als er fast keine Luft mehr bekam. Irgendwo war der Stoff doch zum Einsatz gekommen – es ließ sich einfach nicht alles kontrollieren.
„Du musst jetzt mit deinem Körper arbeiten“
Den Ausschlag für seine Entscheidung, sich endgültig von der Baustelle zurückzuziehen, gab der Tod eines Bekannten. Er starb, noch jung und mitten im Leben, an Hautkrebs. „Da hab ich plötzlich gedacht, du musst jetzt mit deinem Körper arbeiten und nicht mehr gegen ihn“, sagt der angehende Hochbautechniker. Wilhelm Schmidt begleitet ihn die ersten Schritte in die Berufsfindung an den Eckert Schulen in Regenstauf, eines der größten Aus- und Fortbildungszentren in Deutschland. Mehr als 400 Lehrkräfte bilden etwa 2.000 Vollzeitschüler in mehr als 70 Ausbildungsberufen aus. Die Anlage wirkt wie eine Stadt in einem Städtchen mit eigenen Sportanlagen, einem Freibad sowie einem Hallenbad und großen Wohnheimen. Umschulen kann nur, wer eine abgeschlossene Ausbildung nachweisen kann. „Aber auch für betroffene Hilfskräfte versucht die BG BAU mit gesundheitsangepassten Eingliederungshilfen und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Bildungsträgern z.B. den Berufsförderungswerken, eine Lösung zu finden“, ergänzt Wilhelm Schmidt.
Zur beruflichen Eignungsabklärung hat Andreas Rackl an einer einwöchigen Arbeitserprobung teilgenommen. Im Anschluss daran besuchte er einen dreimonatigen Vorbereitungskus für die geplatne Bautechniker-Fortbildung.
Johann Hof, Fachbereichsleiter und Sozialberater an den Eckert Schulen erläutert: „Grundsätzlich steht jedem jede Weiterbildung offen. Der umschulende Gebäudereiniger zum Beispiel kann sowohl eine kaufmännische als auch technische Weiterbildung machen oder zum Beispiel in die Qualitätssicherung gehen. Das finden wir mit der Eignungsabklärung heraus.“ „Ich hatte eine Riesenangst davor“, erinnert sich Rackl, „die Schulzeit lag ja doch schon einige Jahre zurück und nun wieder büffeln zu müssen und Prüfungen abzulegen, das hat mir schon Sorgen gemacht.“ Er spricht auch von Scham, die er er lange Zeit gefühlt habe. „Das ist jetzt vorbei“, betont er.
„Ich bin froh, dass ich’s gemacht hab“
Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten v.a. in Mathematik und Englisch (zu seiner Volksschulzeit wurde die Fremdsprache noch nicht unterrichtet) biss sich Rackl durch und konnte schon bald gute und sehr gute Zensuren vorweisen. „Ich bin froh, dass ich’s gemacht hab“, sagt er, „auch wenn es zuerst hart war.“ Der Eifer des Vaters scheint auch seine Kinder angesteckt zu haben: „Mein Sohn lernt für die Schule ohne Widerworte. Ich bin wohl doch ein Vorbild geworden.“ Im Juni legt Rackl die schriftlichen Prüfungen ab, im Mai die mündlichen, dann kann er als Hochbautechniker bei seinem alten Arbeitgebern anfangen. „Die warten schon auf mich“, erzählt er mit einem Lächeln. Wenn er wieder zurück ist, will er Aufklärungsarbeit leisten und alles tun, um Kollegen vor seinem Schicksal zu bewahren.
Rebecca Eisert |
rebecca.eisert@holzmannverlag.de
Lesen Sie zum Thema Handschutz auch die Beiträge „Problemzone Haut“ sowie das Interview mit Dr. Dietrich Tesch „Hautprobleme werden häufig nicht ernst genommen“ auf den Seiten 56/57 und „Schutzhandschuhe – Sie haben die Wahl“ auf den Seiten 60/61.