Schüttgutsäcke: Waschen statt wegwerfen

Ein spezielles Reinigungsverfahren macht industrielle Big Bags auch für sensible Güter wiederverwertbar und damit gleichzeitig umweltfreundlicher sowie wirtschaftlicher.

Big Bags haben ein stattliches Fassungsvermögen von circa 1.000 bis 1.300 Litern. Befüllt nehmen sie bei einer Höhe von ungefähr 1,5 Metern die Fläche einer Europalette ein. - © lunamarina – stock.adobe.com

Ein Big Bag ist frei aus dem Englischen übersetzt ein großer Sack, der im Allgemeinen dazu verwendet wird, große Mengen von Schüttgütern zu transportieren. In der Regel besteht ein solcher Big Bag aus rund 3,5 Kilogramm Polypropylen – ein hochwertiges und langlebiges Mate­rial, das sich zur vielfachen Wiederverwendung eignet. Entsprechend haltbar sind diese Säcke und kommen daher ­gerade beim Transport von Baustoffen so lange zum Einsatz, bis sie technisch unbrauchbar geworden sind. In der Lebensmittel- und Pharmaindustrie sieht das ganz anders aus: Strenge Vorschriften an Hygiene und Reinheit bereiten in diesen Branchen dem angedacht langen Leben eines Big Bags meist ein sehr schnelles Ende.

Knackpunkt ist, dass die flexiblen Schüttgutbehälter zur Reinigung normaler­weise lediglich mit Luft ausgeblasen werden und damit die Anforderungen für den Transport von sensiblen Gütern nicht erfüllen. "Hier verkommt der Big Bag zum Einwegprodukt", spricht Pascal Bilo, Head of ­Projektmanagement bei SB ­Service, den Stein des Anstoßes an und ergänzt: "Wir wollten zeigen, dass das zu Unrecht so ist, und haben uns der Herausforderung gestellt, etwas zu reinigen, das so eigentlich nicht zu reinigen ist."

Vom Einweg- zum Mehrweg­produkt

Als Spezialist für das Reinigen von Gebäuden hat sich die insgesamt 1.200 Mitarbeiter zählende SB-Unternehmensgruppe mit Sitz in Leichlingen in Nordrhein-Westfalen deshalb auf einen neuen Weg begeben und bereits vor zehn Jahren mit der Entwicklung eines Waschverfahrens begonnen, mit dem man auch Lebensmittel- und Pharma-Big-Bags für den Mehrfachgebrauch reinigen kann. Die dabei zu überwindenden Hürden waren zunächst allerdings größer als gedacht; zu kleine und unwirtschaftliche Waschmaschinen waren noch ­eine der geringsten. Heute verwendet SB ­riesige Waschautomaten, die ihren Einsatz­ort ­üblicherweise auf Kreuzfahrtschiffen ­haben. Für ihren Platzbedarf gründete das Unternehmen schließlich einen neuen Standort in Leverkusen.

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    So läuft das Reinigen der Big Bags ab – von der ersten Testwaschung bis zur Auslieferung der gereinigten Säcke.
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    Nach der Wäsche in mannshohen Maschinen (rechts) geht es in den ­Trockner (links).
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    Ein Big Bag vor der Reinigung …
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    … und danach – restlos sauber.
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    Nach dem Trocknen werden die Big Bags aufgeblasen und einer Sichtprüfung unterzogen.
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    Pascal Bilo plädiert für die Mehrfachnutzung von Big Bags. Eine Reinigung koste einen Bruchteil der Neuanschaffung.

Ein weiteres Problem war der fehlende Standard bei Big Bags. Die Behälter aller Firmen sind unterschiedlich, keiner der ­Säcke gleicht dem anderen. Zudem handelt es sich oft um Sonderanfertigungen, deren Materialien bestimmte Anforderungen zum Beispiel an Antistatik und direkten Lebensmittelkontakt erfüllen. Folglich mussten die Waschungen entsprechend an die vielen Varianten angepasst und dabei trotzdem möglichst flexibel gehalten werden.

Herausforderung Hygienebestimmungen

Die größte Herausforderung waren die ­ Hygienebestimmungen. Nur wenn der Dienstleister garantieren kann, dass die gereinigten Big Bags für den freien Warenverkehr und den Einsatz mit Nahrungsmitteln geeignet sind, ist deren Wiederverwendung in den Branchen Lebensmittel und Pharma grundsätzlich möglich. Maßgeblich hierfür ist die Erfüllung des International Food Standard, des BRC Global Standard for Food Safety und des am Codex Alimentarius orientierten HACCP-Konzepts. Beim Transport zum Beispiel von Kaffeepulver, Tee oder Gewürzen sowie von Tierfutter oder Arzneistoffen ist die Einhaltung dieser Standards und Vorschriften unumgänglich.

Neben der Entwicklung geeigneter Waschmittel war die Trocknung ein entscheidender Faktor, denn Feuchtigkeit ist ein Hygienekiller. Die Restfeuchte der getrockneten Big Bags muss bei 0,0 Prozent liegen, da sonst die Gefahr von Schimmelbildung besteht. "Bei verstärkter Trocknung schrumpften uns zunächst aber die Big Bags teilweise auf Handtaschengröße zusammen", beschreibt Pascal Bilo die ersten Versuche. Mittlerweile kommen bei SB selbstentwickelte Trockner zum Einsatz, die einen Restfeuchtegehalt von 0,0 Prozent sicher gewährleisten, ohne dabei die Eigenschaften des Big Bags zu verändern.

Strenge Qualitätskontrollen

In unzähligen Testwaschungen und -trocknungen mit unterschiedlichen Waschmitteln und Maschinen hat sich das Reinigungsverfahren ständig weiterentwickelt, bis es wirklich allen Anforderungen gerecht wurde. Heute ist die komplette Prozesskette von der Anlieferung bis zur Auslieferung perfektioniert:

Nachdem die Säcke in innen folierten Euro-­Pool-Gitterboxen beim Unternehmen in Leverkusen eingetroffen sind, durchlaufen sie dort zunächst eine erste Schadensprüfung. Dann folgen speziell für sie entwickelte ­Waschprogramme. Die Wassertemperatur und -menge sowie eine vom Verschmutzungsgrad abhängige Dosierung der Wasch- und Desinfektionsmittel sind harmonisch aufeinander abgestimmt und gleichzeitig aus ökologischer Sicht optimiert. Sehr stark verschmutzte Big Bags erfahren eine separate, zusätzliche Vorwäsche.

Nach dem Trocknen werden die Big Bags erneut auf Schäden kontrolliert, indem sie auf einem beleuchteten Tisch aufgeblasen und einer Sichtprüfung unterzogen werden. Abschließend wird ihre Restfeuchtigkeit noch einmal direkt vor der Auslieferung gemessen.

Alle Ergebnisse der Reinigung und Trocknung werden entsprechend dokumentiert. Für Neukunden führt der Dienstleister unverbindliche Testwaschungen mit einer ­laborgeprüften Machbarkeitsstudie durch. Sogar der Wechsel des Transportguts ist bei den gewaschenen Big Bags bedenkenlos möglich. "Wir sind nach HACCP zertifiziert und übernehmen die volle Gewährleistung für die bei uns gewaschenen Big Bags. Bis heute gab es noch keine einzige Reklama­tion", betont Pascal Bilo.

Jeder der Säcke wird außerdem mit einem RFID-Chip ausgestattet. So ist dokumentierbar, wann welcher Big Bag welchen Teil der Reinigungsanlage durchlaufen hat. Die Chips ermöglichen ein Up- und Downstream-Tracing. Das heißt: Sollte es Qualitätsabweichungen geben, kann der exakte Ursprung ermittelt und die Fehlerquelle sofort behoben werden. Der RFID-Chip ermöglicht außerdem die Chargenrückverfolgung. "Für unsere Kunden ist dies zur Vorbeugung möglicher Haftungsansprüche bei Produktrückrufen extrem wichtig", weiß Pascal Bilo.

Wirtschaftlich und nachhaltig

Warum das Reinigen der Big Bags auch für hygienisch sehr sensible Transportgüter Sinn macht, liegt auf der Hand, denn unter dem Strich ist es nicht nur nachhaltiger, sondern auch wirtschaftlicher. "Vertraglich kann die Anzahl der Wiederverwertungen vereinbart werden, theoretisch lässt sich ein Big Bag aber so oft ­waschen, bis er mechanisch unbrauchbar geworden ist", erläutert Pascal Bilo. Mögliche Entsorgungskosten übernimmt ebenfalls das Leverkusener Unternehmen, sodass die Kostenersparnis seitens der Kunden bei bis zu 95 Prozent liegen könne.

Sehr wichtig ist für Pascal Bilo der Faktor Umwelt: "Umweltschutz betrifft nicht nur die Produktion, sondern auch Transport und Verpackung. Und was für Flaschen, Dosen, Gläser oder Becher gilt, gilt auch für Big Bags – eine Mehrfachnutzung ist in der Regel immer umweltfreundlicher als eine Einfachnutzung. Durch unsere Reinigung verhindern wir täglich das Entstehen einer gigantischen Menge von Plastikmüll." Im Schnitt wäscht SB einen Big Bag 15-mal und erspart der Umwelt allein mit einem einzigen Big Bag auf diese ­Weise über 50 Kilogramm Plastikmüll.

Selbst Transportsäcke, die unbrauchbar geworden sind, landen nicht im Müll, sondern werden über ein Partnerunternehmen recycelt und führen ihr Leben weiter – beispielsweise als Fleecepullover oder PET-Flasche.

Ralf Paarmann, freier Journalist | guenter.herkommer@holzmann-medien.de