Gefühlt waren wir alle gerade noch Dauergast im Freibad, trugen ausschließlich kurze Kleidung und erinnerten uns an Eis nur in Würfel- oder Kugelform. Doch jetzt steht statt Poolreinigung der Winterdienst an – mit all seinen Herausforderungen in Sachen Personal und Streumitteln.
In der Regel sind es nicht Witterung und Temperatur, vor denen es alle Jahre wieder Disponenten und Unternehmern in der Gebäudedienstleister-Branche graut. Es ist die oftmals prekäre Personalsituation. Die kennt auch Walter Schmeißer, Geschäftsführer von WSG WinterServices+Gebäudedienste in Hamburg.
Der Winterprofi weiß, dass unterschiedliche Betriebe auch unterschiedlich betroffen sein können. „Es gibt einerseits die Unternehmen, die den Winterdienst zur Überbrückung ihrer saisonalen Umsatzflauten anbieten“, erklärt er. In aller Regel sind das beispielsweise Garten- oder Baufirmen, die versuchen, die Personalauslastung über das gesamte Jahr hochzuhalten. „Deren Problem ist insbesondere die Motivation der meist qualifizierten Mitarbeiter für branchenfremde Services mit unattraktiven Arbeitsbedingungen wie Wochenenddienst, Feiertagseinsätzen oder Nachtarbeit bei Nässe und Kälte“, erklärt Schmeißer.
Auftragsabgabe an Spezialisten
Dann gibt es noch die großen Facility-Management-Anbieter und klassischen Gebäudereiniger. „Hier gibt es kaum Personalprobleme im Winterdienst“, erklärt der Experte. Denn wenn ein solches Unternehmen die Leistung nicht selbst erbringen könne, dann greife es auf spezialisierte Betriebe zurück. Das liege oft daran, dass der Winterdienst für diese Anbieter schwer kalkulierbar und in den üblichen Geschäftsablauf integrierbar sei. Schmeißer zählt sein eigenes Unternehmen zur dritten, eben der spezialisierten, Kategorie: den reinen Winterdienst- oder stark winterdienstlastigen Anbietern. Seiner Erfahrung nach operieren diese Unternehmen meist mit wenigen, festangestellten und häufig langjährigen Mitarbeitern, die durch den Einsatz – im Idealfall ebenfalls langjähriger – Nachunternehmer ergänzt werden.
So läuft es auch in Schmeißers eigenem Unternehmen. Sein Tipp für die Mitarbeiterbindung: „Wenn das Arbeitsumfeld und die Konditionen stimmen, klappt’s auch mit dem Personal.“ Über Tarif bezahlte Mitarbeiter mit einem attraktiven Prämiensystem in einem angenehmen Arbeitsumfeld und Nachunternehmer, die für faire Konditionen arbeiten, entspannen die Situation, meint der Profi.
Personal – das A und O im Winterdienst
Ein großes Problem im Winterdienst ist die Verfügbarkeit der Mitarbeiter während der gesamten Saison, die Schmeißer zwischen Anfang November bis Mitte April ansetzt: „Wenn ich Personal für etwa 165 Tage bereithalten muss, dann muss ich diese Bereitschaft auch für 165 Tage bezahlen. Der größte Posten in unserer Kalkulation sind immer noch die Vorhaltekosten“, sagt der Unternehmer. „Ich muss also gewährleisten, dass das Einsatzrisiko nicht beim Mitarbeiter liegt, sondern dieser eine klare Kalkulationsgrundlage für die Wintersaison hat.“
Deshalb verbietet sich hier aus seiner Sicht eine reine Einsatzlösung ohne die Übernahme von Vorhaltekosten. Sollte es in der Saison trotz Urlaubssperre einen Ausfall geben, beispielsweise durch Krankheit, übernehme ein Nachunternehmer. „Ein Service, den wir ebenfalls bezahlen und schon vor der Saison vereinbaren und abschließen“, sagt Schmeißer.
Der Unternehmer achtet neben der Verfügbarkeit seines Personals auch darauf, dass die Abstimmung von Mitarbeiter, Gerät, Objektgröße und Tour passt. „Je nach Größenordnung und Lage wird ein Großgerät, also ein Traktor oder Unimog, bei einem bis fünf Objekten eingesetzt. Jeeps je nach Objektgröße und -lage bei zehn bis 20 Objekten.“ Für Handtouren, bei denen die Mitarbeiter in einem normalen Auto unterwegs sind und ihre Ausrüstung wie Besen, Schaufel oder Eisstößer an Bord haben, schaut sich Schmeißer die einzelnen Einsatzorte genau an: „Je nach Lage können die Kollegen hier mit 15 weit auseinanderliegenden Objekten schon überfordert sein. In einem eng umrissenen Gebiet können sie aber auch bis zu 30 kleine Einzelobjekte anfahren.“
Streuwagen: Ressourceneffizienzkontra Zeitersparnis
Doch nicht nur der Schnee muss entfernt werden. Auch das Eis macht den Mitarbeitern im Winterdienst viel Arbeit. Eine Unterstützung bei der Bekämpfung der Glätte können Streuwagen sein. „Ein Handstreuwagen bietet die Vorteile eines sauberen Streubildes und eines etwas geringeren Verbrauchs an Streumittel, da die Streumenge einstellbar ist“, erklärt Thomas Brands, Niederlassungsleiter Winterdienst und Freiflächenmanagement bei Piepenbrock. „Auf langen Wegen spart ein Handstreuwagen zudem Zeit im Vergleich mit der Streuung per Hand.“
Dennoch verzichten seine Mitarbeiter in den meisten Fällen auf Handstreuwagen. „Das Auf- und Abladen sowie Befüllen und Leeren eines Handstreuwagens nimmt viel Zeit in Anspruch. Diese Rüstzeit ist in der Regel aufgrund des geringen Flächenanteils für Handstreuungen zu hoch. Unsere geübten Kräfte schaffen auch ohne Zuhilfenahme von Handstreuwagen ein einheitliches Streubild.“ Und der Chef weiß, wie das funktioniert: „Hierzu wird der Streustoff nicht mit der Hand aus dem Eimer gegriffen, sondern mit der flachen Hand aus dem Eimer sozusagen herausgewedelt. Der Eimer wird dazu offen schräg vor dem Oberkörper gehalten.“
Lange Wege sprechen für den Streuwagen
Dennoch will Brands nicht generell auf die mechanischen Helfer verzichten: „Ein Einsatz von Streuwagen oder -anhängern empfiehlt sich letztendlich nur bei längeren Wegen, die nicht mit einem Kommunaltraktor oder einer ähnlichen Maschine abgefahren werden können. Das sind zum Beispiel sehr schmale Gehwege oder Flächen mit geringen Traglasten.“ Und er erklärt, worauf bei der Anschaffung zu achten ist: „Sofern wir überhaupt Handstreuwagen oder -anhänger nutzen, sollten diese aus rostfreien Komponenten bestehen. Darüber hinaus ist es für uns wichtig, dass sowohl die Streubreite als auch die Streumenge einstellbar sind.“
Brands Fazit: Auf langen Wegen spart ein Handstreuwagen Zeit. Auf kleineren Flächen ist sein Einsatz aufgrund der Rüstzeiten nicht sinnvoll. In der schnellen Einsatzbereitschaft liegt entsprechend ein Vorteil der Handstreuung. Außerdem erfordert diese Methode – abgesehen von einem Eimer und der persönlichen Sicherheitsausrüstung der Mitarbeiter – kein weiteres technisches Equipment.
Ein Nachteil der Ausbringung mit der Hand ist der höhere Mittelverbrauch sowie ein unter Umständen uneinheitliches Streubild. „Dies tritt in der Regel aber nur bei ungeübten Mitarbeitern auf und wird mit zunehmender Routine gleichmäßiger.“
Streumittelauswahl: Vorgaben, Gesetze und Verantwortung
Doch welches Streumittel kann verwendet werden? Henning Russ, Geschäftsführer der Wisag Garten- und Landschaftspflege, weiß, welche Einschränkungen es bei der Auswahl gibt: „Unsere Kunden geben uns in der Regel vor, welche Streumittel wir verwenden dürfen beziehungsweise sollen.“ Dazu kommen gesetzliche Vorgaben oder bautechnische Gegebenheiten, die beispielsweise den Einsatz von salzhaltigen Streumitteln nicht möglich machen, da Korrosionsgefahr besteht. Außerdem sei bei der Streumittelwahl auch auf empfindliche Bodenbeläge im Inneren der Objekte zu achten, die nicht mit abstumpfenden Streumitteln wie Splitt oder Sand in Kontakt kommen dürfen.
Und auch Flora und Fauna will Russ beachtet wissen: „Letztlich sollten Streumittel Böden, Gewässer und Vegetation nicht beeinträchtigen. Aus Umweltgesichtspunkten empfehlen wir außerdem den Verzicht auf Streumittel, deren Herstellung energieintensiv ist – zum Beispiel Blähton – oder weite Transportwege zurücklegen.“
Russ selbst setzt in seinem Unternehmen die unterschiedlichsten Streumittel ein: „Splitt, Lavagranulat, Sand, Natrium- oder Kaliumformiate (siehe Kasten), Acetate, Salz, Sole, Harnstoff. Es geht natürlich auch, ganz auf Streumittel zu verzichten und die Rutschgefahr mechanisch zu beseitigen.“ Seine maßgeblichen Auswahlkriterien sind neben der Vorgabe des Kunden die Verfügbarkeit, die Umweltverträglichkeit sowie die eingesetzte Technik – und natürlich wirtschaftliche Gesichtspunkte.
Situationsbedingte Auswahl
Mit allen Streumitteln hat Russ so seine Erfahrungen, aber ein spezielles Mittel empfehlen möchte er nicht: „Das lässt sich pauschal nicht beantworten, das ist immer abhängig von der aktuellen Situation und den gegebenen Rahmenbedingungen“, erklärt er. „Aus ökologischen Gesichtspunkten würden wir aber gerne häufiger Auftaumittel auf Formiatbasis einsetzen, da sie Pflanzen nicht schädigen, ökologisch abbaubar sind und auch bei sehr niedrigen Temperaturen wirken – sie sind allerdings auch um ein Mehrfaches teurer als Tausalz.“
Außerdem schütze ein Taumittel auf Natriumformiatbasis das Innere von Objekten. Sonst muss der Bodenbelag im Gebäude laut Russ anders vor Beschädigungen bewahrt werden: „Schutz bietet unter anderem ein regelmäßiges Entfernen der Streumittel, das Auslegen von Abstreifmatten – oder auch der Verzicht auf den Einsatz.“
Stefan Weinzierl