Häufige Kurzerkrankungen Ist krankheitsbedingte Kündigung möglich?

Rechtfertigen häufige Kurzerkrankungen eines Arbeitnehmers über mehrere Jahre hinweg eine krankheitsbedingte Kündigung? Über diese Frage hatte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (11.04.2018 – 6 Sa 361/17) zu entscheiden.Im vorliegenden Fall waren beim Arbeitnehmer 102 Krankheitstage im Jahr 2013, 180 Krankheitstage im Jahr 2014, 57 Krankheitstage im Jahr 2015 und 98 Krankheitstage im Jahr 2016 angefallen. Das durchgeführte betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ergab, dass zur Vermeidung weiterer Krankheitstage eine Beschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz erforderlich sei. Dieses Vorhaben scheiterte, da der Arbeitnehmer zu einer Wechseltätigkeit nicht bereit war. Das Rechtsproblem: Die soziale Rechtfertigung einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen bedarf einer dreistufigen Prüfung. Die negative Gesundheitsprognose in der ersten Stufe beinhaltet die Feststellung vermehrt und ansteigender Krankheitszeiten über die Entgeltfortzahlung hinaus. Die prognostizierten Fehlzeiten daraus müssen in der zweiten Stufe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dies sind konkret Betriebsablaufstörungen und Entgeltfortzahlungskosten. Im Rahmen der auf der dritten Stufe gebotenen Interessenabwägung ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen. Rechtsprechung des BAG: Treten während der letzten –zumindest – zwei Jahre vor der Kündigung regelmäßig mehrere Kurzerkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt. Die Behauptung von Fehlzeiten reicht aus. Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, im Kündigungsprozess die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden und eine positive gesundheitliche Entwicklung darzulegen. Wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauern kann. Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen, etwa Infektionskrankheiten oder solche des Bewegungsapparates, ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht in Frage. Die Arbeitnehmerseite muss sodann vor Gericht die gesundheitliche Entwicklung positiv darstellen und beweisen. Fallstrick: Das vor den Fehlzeiten des letzten Jahres durchgeführte betriebliche Eingliederungsmanagement endete im vorliegenden Fall mit einem positiven Ergebnis. Der Abschlussbericht empfahl, den Arbeitnehmer anderweitig in einer Wechseltätigkeit einzusetzen. Der Arbeitgeber argumentierte, dass aufgrund mangelnder Qualifikation und nicht ausreichender Kenntnisse sowie fehlenden Leistungswillens eine andere Beschäftigung nicht möglich sei. Dies sah das BAG anders. Ein irgendwie geartetes positives Ergebnis beim BEM verhindert die Kündigung auf der Ebene der Interessenabwägung. Praxistipp: Liegt zwischen dem letzten betrieblichen Eingliederungsmanagement und der Kündigung eine längere Zeit, ist das betriebliche Eingliederungsmanagement zu wiederholen. Positive Beschäftigungsaspekte im Rahmen des BEM sind vom Arbeitgeber zu berücksichtigen – eine pauschale Argumentation über „fehlende Kenntnisse“ reicht nicht aus! Arbeitgebern im Dienstleistungsbereich obliegt eine mögliche Versetzung von Mitarbeitern mit krankheitsbedingten längeren Ausfallzeiten, bevor eine Kündigung in Erwägung gezogen werden kann. Jens Köhler peter.hartmann@holzmann-medien.de