Schutz vor Lärmschwerhörigkeit Es gibt was auf die Ohren

Lärmschwerhörigkeit hält seit Jahren eine Spitzenposition unter den anerkannten Berufskrankheiten. Auch die Gebäudereinigung ist betroffen. Hochdruckreiniger, Schleifmaschinen und Co. produzieren laute Geräusche und hinterlassen auf Dauer bleibende Schäden am Gehör. Zum Schutz gegen die Auswirkungen von Schall ist in lärmexponierten Arbeitsbereichen daher ein Gehörschutz als Teil der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) zu tragen.Viele Arbeiten in der Gebäudereinigung finden im Stillen statt. Wischen, Fegen oder Sanitärreinigung verursachen keinen Lärm. Anders sieht das Umfeld in der Industriereinigung oder auf Baustellen aus. Beim Schleifen von Stein- oder Holzböden, Strahlarbeiten mit Hochdruckreinigern oder bei der Behandlung von Oberflächen mit Trockeneis allerdings entstehen laute, unangenehme Geräusche. Der beständige Lärm hat Folgen für die Beschäftigten, wenn er nicht gedämmt wird. Er kann zu Stressreaktionen führen, die sich wiederum negativ auf das Konzentrationsvermögen und die Leistung auswirken. Zusätzlich vertäubt eine Dauerbeschallung das Ohr, das heißt, die Hörschwelle verschiebt sich. Daraus resultieren Fehlreaktionen mit der Folge einer erhöhten Unfallgefahr. Diese wird zusätzlich durch die Überlagerung sicherheitsrelevanter Signale wie Martinshörner, Hupen oder akustische Rückwärtsfahrsignale verstärkt. Gehörschutz ist gesetzlich geregelt Die negativen Auswirkungen von Lärm am Arbeitsplatz auf die Beschäftigten müssen nicht sein. Bereits in den 1970er-Jahren wurde Lärm daher als Gefahrenquelle bei der Arbeit erkannt und am 20. März 1975 in die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) aufgenommen. Ihr zufolge ist der Schalldruckpegel in Arbeitsstätten so niedrig zu halten, dass keine Beeinträchtigungen der Gesundheit der Beschäftigten entstehen. Als Grenzwert – im Fachjargon als Auslösewerte bezeichnet – wurde ein Tages-Lärmexpositionspegel von 80 dB (A) oder ein Spitzenschalldruckpegel von 135 dB (C) festgelegt. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber Gehörschutz zur Verfügung stellen. Ergibt die Gefährdungsbeurteilung höhere Lärmwerte, wird das Tragen von Gehörschutz verpflichtend. Schallwellen müssen bewertet werdenWelche Bedeutung haben die Auslösewerte aber nun für die Praxis? Wann und bei welchen Geräuschen muss ein Arbeitgeber im wahrsten Sinne des Wortes hellhörig und in puncto Arbeitsschutz aktiv werden? Um die Frage zu klären, ist ein Ausflug in die Akustik notwendig. Der Schalldruckpegel in Dezibel (dB) ist eine technische Größe, mit der die Stärke eines Schallereignisses beschrieben wird. In der unbewerteten Einheit dB lässt er keine Rückschlüsse auf das menschliche Hörempfinden zu. Er muss also bewertet werden. Das geschieht mit Hilfe von zusätzlichen Filtern, die der akustischen Wahrnehmung des Menschen entsprechen. Bei Arbeitsplatzmessungen ergeben sie den bewerteten Schalldruckpegel in dB (A), der für die Feststellung eines Gehörschutzes und dessen Auswahl die maßgebliche Größe ist. Zwischen nichts und nichts mehr hörenWelche Schalldruckpegel wirken aber nun im Berufsalltag auf einen Beschäftigten ein? Dazu gibt es Lärmskalen, die den Schalldruckpegel verschiedener Geräusche auflisten. Es ist aber Umsicht geboten: Einige Skalen nutzen den unbewerteten (dB), andere den bewerteten Schalldruck (dB[A]). Ein Schalldruckpegel von null dB (A) gilt für das menschliche Ohr als Hörschwelle. Alle darüberliegenden Werte sind für den Menschen wahrnehmbar, darunterliegende werden nicht gehört. 120 dB(A) gelten als Schmerzgrenze, 190 dB(A) als physikalischer Maximalwert. Schalldruckpegel dieses Ausmaßes werden fast ausschließlich durch Waffen und Flugzeuge ausgelöst und können zu inneren Verletzungen und Hautverbrennungen führen, der Tod ist wahrscheinlich. Im Berufsalltag liegt die Lärmbelastung üblicherweise zwischen Hörschaden (≥ 85 dB[A]) und Schmerzschwelle (≤ 120 dB[A]). So erzeugt mancher handelsübliche Hochdruckreiniger mit 1.500 Watt Leistung einen Schalldruckpegel von 88 dB (A), ein fahrender LKW dröhnt mit etwa 90 dB (A) im Ohr. Für weitere Lärmbelastungen in diversen Branchen und Tätigkeiten hat die Schweizerische Unfallversicherung SUVA (Luzern) eigene Schallpegeltabellen herausgegeben (www.suva.ch). Grenzwerte für das GehörDa Gefahren für das Gehör nicht allein im Schalldruckpegel lauern, sondern auch in der Beschallungsdauer, wurden mit den Auslösewerten Grenzen festgelegt. Sie sind in der Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (LärmVibrationsArbSchV) festgeschrieben und werden entsprechend der zeitlichen Einwirkung unterschieden. Der über die Zeit gemittelte Lärmexpositionspegel bezogen auf eine Achtstundenschicht wird als Tages-Lärmexpositionspegel (L (tief) EX,8h) bezeichnet. In diesen Wert gehen alle Geräusche ein, denen ein Beschäftigter während eines durchschnittlichen Arbeitstags ausgesetzt ist. Als untere Auslösewerte sind ein Schalldruckpegel von 80 dB (A) und ein Spitzenschalldruckpegel von 135 dB (C) festgelegt. Bei einem solchen Lärmpegel muss der Arbeitgeber Gehörschutz zur Verfügung stellen und er sollte von den Arbeitnehmern getragen werden. Ab einer durchschnittlichen Dauerbeschallung von 85 dB (A) oder einem Spitzenschalldruckpegel von 137 dB (C) liegt eine Gehörgefährdung vor. Es gilt eine Tragepflicht für Gehörschutz, die Kennzeichnung von Lärmbereichen (Räume oder Maschinen) und die Aufstellung eines Lärmminderungsprogramms. Zu den zwingenden Schutzmaßnahmen gehören außerdem die Unterweisung der Mitarbeiter, eine allgemeine arbeitsmedizinische Beratung sowie die arbeitsmedizinische Vorsorge. Umfangreiche Vorgaben an den ArbeitgeberWelche Geräuschkulisse herrscht nun aber tatsächlich an einem Arbeitsplatz, an dem Fassaden gereinigt oder Böden geschliffen werden? Hierüber geben beispielsweise die Herstellerangaben zu Geräuschemissionen von Maschinen Auskunft. Lässt sich die tägliche Lärmdosis eines Beschäftigten nicht sicher ermitteln, muss der Arbeitgeber die tatsächliche personen- oder arbeitsbereichsbezogene Lärmbelastung eines durchschnittlichen Arbeitstages durch Messungen entsprechend der DIN EN ISO 9612(1) feststellen. Fehlt im Betrieb die notwendige Fachkunde, können entsprechend ausgebildete Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Betriebsärzte die Ermittlung vornehmen. Wer ein freies Ingenieurbüro mit der Messung beauftragen will, muss dessen Fachkunde prüfen. Das ist wichtig, weil die große Masse solcher Büros auf Umweltlärm nach der Technische Anleitung (TA) Lärm spezialisiert ist. Erfahrungen im Arbeitsschutz fehlen häufig. Entsprechend dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik festzulegen. Wie bei anderen beruflichen Gefährdungen gilt auch im Hinblick auf die Gefahrenminderung durch Lärm: Technische (T) oder organisatorische (O) Maßnahmen haben Vorrang vor persönlichem Gehörschutz (P). Die Lärmemission muss also am Entstehungsort verhindert oder so weit wie möglich verringert werden. Erst wenn die Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kommt Gehörschutz zu Tragen. Übrigens sind die Ergebnisse der Lärmmessungen zu dokumentieren und 30 Jahre aufzubewahren. Zu starke Schalldämmung vermeidenGehörschutz hat die Aufgabe, den auftretenden Lärm auf ein Minimum zu verringern. Ziel der Auswahl ist das Erreichen eines am Ohr des Benutzers wirksamen Restschallpegels von 70 bis 80 dB (A) unter dem Gehörschutz. Innerhalb dieser Grenzen wird das Gehör gegen Vertaubung geschützt, Signale und Sprache bleiben wahrnehmbar. Sinkt der Wert hingegen unter einen Restschallpegel von 70 dB (A), kann es zu Verständigungsproblemen kommen und zu einem Isolationsgefühl führen. In der Folge wird der Gehörschutz abgelehnt und nicht getragen. Als Obergrenze ist ein Restschallpegel von 85 dB (A) inklusive Gehörschutz zulässig. Dieser Wert wird unter anderem bei Arbeiten in unmittelbarer Nähe von laufenden Flugzeugtriebwerken erreicht. Geräuschdämmung mit KorrekturfaktorUm nun im Gebäudereinigungsbetrieb zu einem geeigneten Gehörschutz zu kommen, sind Kennwerte notwendig. In Deutschland wird dazu im Wesentlichen der Dämmwert eines Gehörschützers nach der HML-Methode beziehungsweise dem einfacheren HML-Check genutzt. Beide gehen von der Tatsache aus, dass die Wirkung von Gehörschützern frequenzabhängig ist. Mit zunehmender Frequenz – also bei hohen Tönen – steigt üblicherweise die Schalldämmung. Bei der HML-Methode werden daher die Dämmung der Gehörschützer bei hohen (H), mittleren (M) und tiefen (L) Schallwellen berücksichtigt und entsprechend ausgewiesen. Dadurch haben Betriebe die Möglichkeit, die PSA für ihre Mitarbeiter entsprechend der spezifischen Lärmsituation auszuwählen. Wer also überwiegend mit Hochdruckstrahlern arbeitet und dadurch höheren Frequenzen ausgesetzt ist, sollte auf eine hohe Lärmminderung im M und H-Bereich achten. Dröhnen hingegen sehr verschiedene Lärmpegel und Frequenzen auf den Gehörgang, sollten ein vereinfachter HML-Check nach DIN EN 458 durchgeführt werden. Danach ist zuerst zu ermitteln, ob die Geräusche am Arbeitsplatz eher hoch-/mittelfrequent (HM-Klasse) oder tieffrequent (L-Klasse) sind. Dementsprechend wird der vom Hersteller angegebene M-Wert oder der L-Wert des Gehörschützers als Dämmwert verwendet. Bei der Wahl des passenden Gehörschutzes entscheidet aber nicht nur die vom Hersteller angegebene Schalldämpfung. Erfahrungen im Umgang mit Gehörschützern haben nämlich gezeigt, dass die effektive Wirkung durch Benutzerfehler oder individuelle Tragegewohnheiten verringert wird. Daher muss bei der Berechnung der geeigneten PSA gegen Lärm ein zusätzlicher Korrekturwert ergänzt werden. Gehörschutztypen für jede AufgabeDie Arbeitssituation und die Arbeitsumgebung, Umgebungsbedingungen und persönliche Unverträglichkeiten des Benutzers entscheiden über den Gehörschutz. Nach BG-Regel (BGR/GUV-R) 194 „Benutzung von Gehörschutz“ werden sie in zwei Arten unterteilt. Während so genannte Kapselgehörschützer die Ohrmuscheln umschließen und damit an einen winterlichen Ohrenmuff erinnern, werden Gehörschutzstöpsel direkt in den Gehörgang oder die Ohrmulde eingesetzt. Beide Typen bieten Vorteile, haben aber auch Grenzen. Kapselgehörschützer sind vor allem bei kurzzeitig auftretendem Lärm geeignet, denn sie lassen sich einfach auf- und absetzen. Allerdings erschweren sie ein Richtungshören, was Reinigungsarbeiten im Schienenverkehr oder auf unübersichtlichem Werksgelände erschwert. In solchen Fällen bieten sich beispielsweise Kapselhörschützer mit eingebauter Kommunikationseinrichtung an. Dadurch können sich Beschäftigte selbst über größere Distanzen oder trotz extremer Geräuschkulisse austauschen. Wer einer andauernden Lärmbelastung ausgesetzt ist, sollte Gehörschutzstöpsel tragen. Sie werden in zwei Typen unterschieden: Die konventionellen werden vor dem Gebrauch geformt. Individuell angepasste (otoplastische Gehörschutzstöpsel) oder vorgeformte Stöpsel haben bereits die Form des Gehörgangs. Sie werden empfohlen, wenn aufgrund arbeitsmedizinischer Befunde (zum Beispiel bestehender Hörminderung) ein besonders sicherer Schutz vor Lärmeinwirkung gefordert wird. Vorteilhaft ist außerdem, dass sie in normaler Kopfhaltung keinen Druck auf die Gehörgangwandungen ausüben. Wer hingegen überwiegend über Kopf arbeitet oder ständig den Kopf bewegt, sollte prüfen, ob individuell angepasst Gehörschützer geeignet sind. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Anfertigung relativ hohe Anfangsinvestitionen erfordert.(2) Um die Verlustgefahr der relativ kleinen Stöpsel zu minimieren, werden sie zusätzlich an Bügelkonstruktionen befestigt oder mit Verbindungsschnüren ausgestattet. Letztere dürfen aber nicht in der Nähe bewegter Maschinenteile getragen werden. Hören ist LebensqualitätDas Tragen von Gehörschützern wird noch immer als „uncool“ angesehen. Wem aber schon einmal ein Silvesterböller um die Ohren geflogen ist oder wer ein Rockkonzert mit Boxenkontakt verbracht hat, kennt die Folgen von Schallwellen. Wenn das Fiepen im Ohr endlich aufhört, weiß man die Gesundheit des Gehörs zu schätzen. Um diese Lebensqualität „hören“ dauerhaft zu erhalten, sollte Gehörschutz am Arbeitsplatz daher eine Selbstverständlichkeit werden. Der Gesetzgeber hat dafür Sorge getragen: Gehörschutz ist eine persönliche Schutzausrüstung der Klasse 2, vom Arbeitgeber zu beschaffen und dem Arbeitnehmer kostenlos zur Verfügung zu stellen. Der muss ihn dann nur noch tragen. Dipl.-Ing. Sabine Anton-Katzenbach | peter.hartmann@holzmann-medien.de (1)Akustik – Bestimmung der Lärmexposition am Arbeitsplatz –Verfahren der Genauigkeitsklasse 2 (Ingenieurverfahren). (2)Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, September 2010: Präventionsleitlinie „Einsatz von Gehörschutz-Otoplastiken.“